1135 - Cathys Friedhof
zu spät, verdammt!« Er sagte nichts mehr und rannte nur…
***
Sie hatte recht!
Allerdings wollte ich es genau wissen und versuchte, von der Platte zu springen. Es gelang mir nicht. Eine unsichtbare Wand stoppte mich ab. Aibon hatte seine Grenzen gezogen, die ich nicht überwinden konnte. Zumindest nicht aus eigener Kraft.
Cathy, die Totenfee, drehte sich zu mir hin herum. Wir blickten uns jetzt in die Augen, und in ihren Pupillen leuchtete das grüne Licht des Landes Aibon.
»Wir sind da, John! Wir sind da! Schau dich nur um, dann wirst du es erleben…«
Leider hatte sie recht. Aibon war in diesem Fall der Sieger. Seine Macht hatte die andere, die normale und auch meine Welt weit zurückgedrückt.
Deutlich schälte sich die neue Umgebung hervor. Sie war ganz anders. Düster und dunkel und trotzdem erkennbar. Wir standen auch nicht mehr auf der Grabplatte, sondern auf einem Felsen, der mich an eine breite Nase erinnerte, die von einer hohen Wand aus über das Ufer eines schlammigen Sees oder Tümpels hinwegreichte. Es war ein feuchtes, ein mooriges Gebiet. Aus dem Wasser ragten Pflanzen hervor, und am anderen Ende des Sees malte sich ein dunkler Wald ab.
Ich konnte Aibon riechen. Ich kannte den Geruch. Er war so typisch. Man konnte in diesem Teil des Landes nicht von einem frischen Naturgeruch sprechen, sondern von einem Gestank, der entstand, wenn alte Pflanzen verfaulten und vermoderten. Es roch nach Untergang und Tod, aber das paßte alles zu einem mächtigen Druidenfürsten, der auf den Namen Guywano hörte.
Es war sein Reich, in dem wir gelandet waren, und es baute sich noch immer weiter auf. Der Geruch nahm zu. Aus der schlammigen und dunklen Tiefe des Wassers stiegen Gase in die Höhe, erreichten die Oberfläche und zerplatzten dort als gewaltige Blasen. Ein warmer Wind wehte mir entgegen und spielte auch mit den Haaren der Totenfee.
»Ist das dein Reich?« fragte ich.
»Ja, hier werde ich sein. Hier werde ich jagen. Hier hat man mir meinen Friedhof überlassen. Schau dir den See an. Ich werde ihn zu einem riesigen Grab machen. Ich hole mir die Feinde des Druidenfürsten und richte ihm hier den Friedhof ein.« Sie faßte mich plötzlich an. »Und mit dir mache ich den Anfang.«
Ich tat zunächst nichts, auch wenn sie mich leicht durchschüttelte. Sie hatte meinen Gürtel zu fassen bekommen und benutzte ihn als Halt, um sich in die Höhe zu ziehen.
Ich kam mir vor wie ein Gefangener in einer Welt, die leider nicht tot war.
Das bezog ich auf den See. Er kümmerte mich mehr als die Totenfee, denn sein Wasser geriet in Bewegung. Aus irgendeinem für mich nicht sichtbaren Grund schlug es Wellen, die sehr hoch wurden und unterhalb unserer Felsnase mit harten Schlägen gegen das Ufer klatschten. Niemand hatte etwas in das Wasser hineingeworfen, die Wellen waren aus einem anderen Grund entstanden. Im See hielten sich Lebewesen auf, und das erste erschien wie ein Walze, die sich aus den trüben Fluten drehte. Leider war es nicht tot. Ich konnte es nur kurz im Sprung verfolgen. Ein gewaltiger Fisch, der mich an einen Hai erinnerte, aber einen wesentlich flacheren Kopf besaß, bei dem das Maul weit offenstand, so daß ich die Zähne sehen konnte.
Sie sahen aus wie gelbe Säbel. Kurz vor der Grabplatte klatschte das Tier wieder in das Wasser hinein, erschien aber eine Sekunde später erneut. Nur war es diesmal zu der Beute eines anderen geworden.
Das Wasser brodelte jetzt. Es spritzte als braune Brühe bis zu uns hoch. Schlammwolken machten es schwarz wie Tinte, und aus dieser Menge hervor war die gewaltige Schlange gestoßen, die den Aibon-Hai umklammert hielt.
Er hatte keine Chance gegen die Kraft der Schlange. Seine Knochen brachen. Es klang wie eine schaurige Musik, die Cathy sehr gefiel, denn sie konnte ein Lachen nicht mehr unterdrücken.
Die Schlange besaß einen Körper von der Dicke einer alten Eiche. Sie wuchtete mit ihrer Beute zurück in das Wasser und schwamm auf die Mitte des Sees zu.
»Das nächste Opfer bist du!« rief Cathy mir ins Gesicht. Sie wirkte wie vom Wahnsinn befallen. Sie faßte auch mit der anderen Hand zu und wollte mich herumdrehen, um mir dann den Stoß zu geben, der mich über die Kante katapultierte.
Soweit ließ ich es nicht kommen. Sie war mit Worten nicht mehr zu beeinflussen. Ich mußte sie loswerden, und ich mußte auch aus diesem Teil des Landes heraus.
Von unten her fuhren meine Hände in die Lücken zwischen ihren Armen. Mit einer schon brutalen Wucht
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