1146 - Angriff der Barbaren
versuchte sich an einer Strebe festzuklammern.
Kraftlos rutschte er zu Boden und riß mehrere Ersatzteile mit sich.
Losridder-Orn sah verächtlich auf ihn herab.
„Dir werde ich beibringen, wie man sich einem Wellenführer gegenüber benimmt! Steh auf, Wicht!"
Der Kommandant bewegte sich träge. Seine Haltung wirkte verkrümmt, und die Augen glänzten wie im Fieber. Wieder öffnete er den Mund und sog die Luft geräuschvoll ein.
„Laß... mich... in... Ruhe...!" brachte er stoßweise hervor.
Doch Losridder-Orn fühlte sich wie im Rausch. Ein seltsamer Druck lag auf seinem Schädel und stachelte ihn weiter an. Sein Verstand war ausgeschaltet. Keinen Gedanken verschwendete er daran, daß er mit dem Rücken zum Schott stand, daß die draußen wartenden Kommandos leicht eindringen und ihn hinterrücks zur Strecke bringen könnten, daß er in seinem ohnmächtigen Zorn ein leichtes Opfer für Gegenmaßnahmen wäre. Er sah nur seinen direkten Gegner vor sich liegen, der jetzt die Arme schützend über den Kopf hob.
Wenn er ihm Schaden zufügte, ihn womöglich tötete, beraubte er sich selbst des Garanten seiner Sicherheit. Es kümmerte ihn nicht mehr. Er nahm die Umgebung verzerrt wie durch eine geschliffene Linse wahr. Ein schwaches Wesen, dem er die Überheblichkeit heimzahlen würde - etwas anderes gab es in diesem Moment nicht für ihn.
Er griff zu und stellte den Mann auf die Beine. Er fühlte sich schlaff an, ließ den Kopf hängen. Das bißchen Kraft, das er besessen hatte, schien vollends aus ihm gewichen.
Die Augen blickten trübe.
Losridder-Orn atmete tief durch. Es war zwecklos, dieses Wesen zum Kampf zu zwingen. Es wehrte sich nicht, würde alles völlig passiv mit sich geschehen lassen. Auch der Torkrote selbst fühlte sich müde. Warum sollte er sich mit jemandem herumschlagen, der längst kein ernstzunehmender Gegner mehr war!
Er lockerte seinen Griff und ließ den anderen einfach los. Der Fremde war so schwach, daß er sich nicht einmal aufrecht halten konnte. Er sank schlaff zu Boden und blieb reglos liegen. Sein Atem ging flach.
Losridder-Orns Müdigkeit nahm zu. Wie sollte er sich jetzt verhalten? Er fühlte sich ausgelaugt und träge, obwohl die körperliche Belastung der letzten Stunden für ihn kaum der Rede wert war. Seine Gedanken flossen zäh. Er starrte auf das Schott, hinter dem wer weiß wie viele Leute mit entsicherten Waffen warten mochten, ging zwei Schritte darauf zu, blieb stehen.
Warum benahm er sich so seltsam? Eben noch hatte er vor selbstsicherer Überlegenheit gestrotzt, jetzt plötzlich glaubte er sich in die Enge getrieben, ohne daß es einen Anlaß dafür gab. Er fühlte sich wie ein wildes Tier im Käfig, dessen Instinkt nach Taten drängte, und das doch nicht ein noch aus wußte, weil ihm das Verständnis für seine Umwelt fehlte. Er wandte den Kopf, drehte sich unbeholfen. Er sah den Kommandanten, der immer noch bewegungslos am Boden lag.
Da fiel es ihm wie Schuppen von den Augen.
Mit einemmal begriff er, was geschah.
Seine Müdigkeit, die Trägheit seiner Gedanken, die bleierne Schwere, die in seinen Gliedern steckte ...
Sie pumpten Gas in den Lagerraum! Giftgas!
Er schrie laut und durchdringend. In diesem Moment wurde ihm klar, daß er verloren hatte. Er saß in der Falle. Draußen warteten die Häscher auf ihn, und drinnen vergifteten sie die Atemluft...
Den Kommandanten hatte es eher getroffen. Er war schwächer; seine Kraft und Kondition, seine Widerstandsfähigkeit blieben weit hinter der eines Torkroten zurück. Das Gift hatte ihn gelähmt, bevor Losridder-Orn überhaupt etwas davon merkte.
Er taumelte auf ein Regal zu und stützte sich ab. Seine Arme zitterten, und die Knie drohten nachzugeben. Er bemühte sich, ruhig und flach zu atmen. Vielleicht hatte er eine Chance, wenn er lange genug durchhielt. Er wußte nicht, ob das Gas tödlich wirkte, falls es über eine gewisse Zeit hinaus vom Metabolismus aufgenommen wurde. Wenn ja, mußten die Fremden die Zufuhr stoppen, sobald ihr Anführer Gefahr lief, daran zugrunde zu gehen. So lange mußte er gegen die Wirkung ankämpfen.
Es war nicht leicht. Losridder-Orn spürte, wie er immer schwächer wurde. Er konnte sich kaum noch auf den Beinen halten, seine Gedanken wurden zunehmend wirr und ungeordnet. Mehr und mehr verengte sich der Blickwinkel. Die Umgebung nahm er wie durch eine lange, schmale Röhre wahr, während sich ringsum alles verfinsterte.
Irgendwann zog es ihm den Boden unter den Füßen weg.
Weitere Kostenlose Bücher