115 - Die Herrin des Sumpfes
Öffnung.
Plötzlich warnte ihn ein Geräusch. Er flankte über den Baumstamm und ging dahinter in Deckung.
Wer schlich da herum? Jemand aus der Siedlung? War ihm einer der Garimpeiros gefolgt? Wer immer es war, er konnte sein Testament machen.
Die Goldader muß mein Geheimnis bleiben, dachte der Amerikaner. Niemand darf von ihr erfahren, sonst stehen die Holzhütten in ein paar Tagen hier, und ich kann meinen Reichtum in den Schornstein schreiben.
Wayne robbte am Baumstamm entlang und blickte vorsichtig am Wurzelballen vorbei. Niemand war zu sehen. Dennoch wurde Wayne das Gefühl nicht los, daß jemand in der Nähe war. Kogora vielleicht?
Er rief ihren Namen. Eigentlich rief er ihn nicht; er flüsterte ihn fast. Und er hatte mit seiner Annahme recht. Es war tatsächlich die Nähe der Sumpfhexe, die er spürte.
»Du brauchst dich nicht zu verstecken«, sagte die Unsichtbare.
»Ich verstecke mich nicht vor dir«, gab der Amerikaner zurück. »Ich dachte, es wäre jemand aus der Siedlung. Ich hätte ihn kaltgemacht.«
»Und mir wäre seine Lebenskraft zugeflossen.«
»So wie die von Nico Vega?«
»Ja, die ist bei mir angekommen«, sagte Kogora.
»Du bist sehr mächtig - und äußerst gefährlich.«
»Hast du daran gezweifelt?« fragte Kogora.
»Nein. Aber der Flugzeugabsturz war für mich eine eindrucksvolle Machtdemonstration. Ich nehme an, du bedauerst, daß die Insassen überlebt haben.«
»Ihr Tod ist nicht aufgehoben, nur aufgeschoben. Sie werden sterben - wie die Garimpeiros, Einer nach dem anderen.«
»Hast du neue Befehle?« fragte Wayne.
»Ich möchte, daß du die Fremden im Auge behältst«, sagte die Hexe. »Vor allem den Hünen mit den Silberhaaren. Er kommt mir gefährlich vor.«
»Dir kann doch niemand gefährlich werden«, sagte Wayne lachend.
»Dieser Mann schon. Ich spüre, daß er etwas Besonderes ist.«
»Ich kann ihn für dich jederzeit unschädlich machen«, sagte der Amerikaner. »Meine Axt ist scharf, und ich bin mindestens ebenso stark wie dieser Hüne. Ich wette, der hat in seinem Leben noch nicht so viele Urwaldriesen gefällt wie ich. Ich kann auch ihn fällen.«
»Erst mal sitzen sie fest. Sie zappeln in meinem Netz, können die Siedlung nur zu Fuß verlassen, und das werden sie nicht tun.«
»Sollten sie es doch versuchen, ergeht es ihnen wie Nico Vega«, sagte der Amerikaner. »Wir sind ein gutes Team, Kogora. Und das Großartige an unserer Verbindung ist, daß ich dir deine Wünsche erfülle und du mir die meinen.«
***
Nico Vegas Hütte war frei. Der Capo erlaubte uns, sie zu beziehen. Wir richteten uns auf einen Aufenthalt von unbestimmter Dauer ein. Ich kaufte Lebensmittel von den Garimpeiros. Man brachte uns Pablo Jamanez, und Vasco da Volta stellte uns Nelcina als Krankenschwester zur Verfügung. Sie kümmerte sich um den Piloten, und wir lernten im Laufe des Tages nahezu alle Garimpeiros kennen. Auch zwei Amerikaner namens Thomas Ford und Barry Mitchell. Wir erfuhren, daß sie eigentlich zu dritt waren, aber ihr Freund Ian Wayne würde sein Glück zur Zeit an einer anderen Stelle versuchen. Sie glaubten nicht, daß er Erfolg haben würde.
Barry Mitchell erwähnte, daß Wayne irgendwie komisch geworden sei. Thomas Ford schwächte die Behauptung ab. Er schien immer derjenige zu sein, der etwaige Differenzen schlichtete.
Angeblich hatte ihnen Wayne erzählt, er habe Kogora getroffen und eine große Goldader gefunden.
Weder Ford noch Mitchell glaubten dem Freund die Behauptung. Uns aber machte sie stutzig, und mir gefiel auch nicht, daß Wayne Blut an der Axt gehabt hatte. Wir mußten ihn uns ansehen.
Sollten wir uns zu seiner abgelegenen Schürfstelle begeben? Es würde ihm wohl kaum gefallen, wenn wir da auftauchten.
Barry Mitchell ließ sich nicht davon abbringen, daß Ian Wayne von gestern auf heute ein anderer geworden war. Der gemäßigtere Thomas Ford war nicht ganz seiner Ansicht; er mußte aber zugeben, daß ihr Freund etwas sonderbar geworden war.
Mein Blick schweifte über die Goldgrube. Dicke Wasserfontänen bohrten sich in die aufragende Uferwand, wühlten sich in sie hinein, weichten das Erdreich auf und schwemmten es heraus. Die Wasserkanonen waren den Garimpeiros eine große Hilfe, erklärte uns Thomas Ford, Sie geholten Vasco da Volta, und er bekam Gold dafür, wenn man sie einsetzte.
Der Capo hatte den Dreh raus. Er brauchte nicht im Schlamm zu wühlen, und es floß doch Gold in seine Taschen. Manche haben eben das Köpfchen, und andere
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