115 - Die Herrin des Sumpfes
werde die Goldader ausbeuten und als einziger überleben. Ian Wayne wird als reicher Mann in die Staaten zurückkehren und sich jeden Luxus leisten können. Für das viele Gold verlangt Kogora nur eines von mir: bedingungslosen Gehorsam, wenn sie mir einen Befehl erteilt; und dazu bin ich bereit.«
Vegas Zungenspitze huschte über die trockenen Lippen. »Was.. was hat sie dir befohlen?«
»Ich habe darauf zu achten, daß niemand die Siedlung verläßt.«
»Dennoch hast du mich gehen lassen.«
»Aber nur bis hierher«, sagte der Amerikaner. »Ich muß dich töten.« Nun schloß sich auch seine zweite Hand um den Stiel der Axt.
»O nein!« stieß Nico Vega entsetzt hervor.
Waynes Gesicht erstarrte zu einer eisigen Maske. Eine unvorstellbare Gefühlskälte glitzerte in seinen Augen. Er schwang die Axt hoch.
Nico Vega geriet in Panik. Er schnellte hinter einen Baum. Die Axt krachte dagegen, grub sich mit der scharfen Schneide tief ins Holz. Schreiend vor Angst ergriff der Brasilianer die Flucht. Er hatte geglaubt, mit dem Schrecken davongekommen zu sein. Er war so froh gewesen, der Siedlung ungehindert den Rücken gekehrt zu haben. Nie und nimmer hätte er gedacht, daß der Tod an seiner Seite ging. Diesmal war’s kein Skelett mit einer Sense, sondern ein Mensch aus Fleisch und Blut, mit einer Axt.
Ein Diener des Bösen! Ian Wayne mußte die Axt mehrmals hin und her bewegen, um sie aus dem Holz zu bekommen. In dieser Zeit lief der Brasilianer einen geringfügigen Vorsprung heraus. Jetzt prallte er mit der Schulter gegen einen Urwaldriesen. Er drehte ihn herum, und als er auch noch über eine armdicke Wurzel stolperte, stürzte er. Wayne näherte sich ihm mit großen Schritten. Vega schrie seine schreckliche Angst heraus. Er kämpfte sich hoch und setzte die Flucht fort, aber Wayne war schneller, und die Distanz zwischen ihnen verringerte sich immer mehr.
Als Wayne abermals zuschlug, suchte Vega wieder Schutz hinter einem Baum.
Vega wechselte von einem Baum zum anderen. Er verlor die Orientierung, Egal. Wichtig war nur, daß ihn Ian Wayne aus den Augen verlor. Zitternd und völlig außer Atem lehnte er sich an einen Stamm. Er hörte nur das laute Hämmern seines Herzens, sonst nichts. War es möglich, daß er es geschafft hatte?
Seine Knie wurden weich. Er konnte nicht mehr stehen, sank langsam zu Boden.
Wenn er mich nicht findet, wird ihn Kogora zur Rechenschaft ziehen, dachte er. Sie wird kurzen Prozeß mit ihm machen. Bestimmt weiß er das. Er muß mich finden! Heilige Madonna, beschütze mich! Laß mich nach Belém zurückkehren und diesen grauenvollen Alptraum vergessen.
Er bedeckte sein schweißnasses Gesicht mit zitternden Händen und weinte leise; ein Mann am Ende seiner Kraft.
Als er die Hände sinken ließ, sah er Ian Wayne vor sich stehen. Der Amerikaner hatte ihn gefunden.
Nico Vega erschrak nicht einmal.
Insgeheim hatte er damit gerechnet, daß er nicht unentdeckt bleiben würde.
Er hatte den Teufel erschlagen… Diese Rechnung war noch offen. Nun mußte er bezahlen. Er schrie nicht, versuchte nicht zu fliehen, flehte nicht um sein Leben, weil ihm klar war, daß das keinen Sinn hatte. Er gab sich auf, saß da und sah, wie Ian Wayne die Axt hob…
***
Wir saßen in Vasco da Voltas Hütte und tranken Schnaps. Nelcina gab uns Schwarzbrot und getrocknetes Rindfleisch zu essen. Pablo Jamanez schlief, obwohl wir uns nicht leise unterhielten. Der Schlaf würde ihm guttun.
Kogora wollte uns also hier behalten.
Sie hatte das Funkgerät unbrauchbar gemacht und da Voltas Boot varsenkt. Wir saßen fest. Ein Flugzeug würde erst nächste Woche auf der nahen Piste Ianden. Bis dahin mußten wir uns selbst um den Piloten kümmern. Da Volta zeigte mir den Medikamentenschrank. Sein Inhalt hätte jedem Mediziner die Tränen in die Augen getrieben, aber der Capo war der Ansicht, daß die Medikamente ausreichen würden.
Sie mußten ausreichen, denn mehr war einfach nicht da.
Ich bat da Volta, uns von Kogora zu erzählen.
»Sie ist vor langer Zeit gestorben«, sagte der Capo. »Dies hier war früher ihr Gebiet. Sie tötete jeden, der ihr begegnete. Viele Jahre war Ruhe, und sie geriet in Vergessenheit. Doch plötzlich bringt sie sich auf eine höchst unangenehme Weise in Erinnerung.«
»Geht das schon lange so?« fragte Mr. Silver.
»Viele Garimpeiros sind abergläubisch«, sagte Vasco da Volta. »Der eine erzählte mir, im Urwald ein brennendes Augenpaar gesehen zu haben, dabei waren es Leuchtkäfer.
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