1151 - Das Babel-Syndrom
der Kosmokraten. Dann könnte er mir sagen, wenn ich zum Dom Kesdschan gehen soll, um zum Ritter der Tiefe geschlagen zu werden. Steig auf meinen Mustang, Lassel!"
Domaschek gehorchte.
Da das „Pferd" keine Steigbügel besaß, wollte er sich an den Ohren festhalten, um sich auf den aufgemalten Sattel zu schwingen. Mit synchronem Knacksen brachen sie ab, und Domaschek landete auf Glasdiamanten.
„Barbar!" schimpfte der Siganese. „Sagte ich dir nicht, daß du behutsam sein sollst!"
Domaschek rappelte sich auf. Mißtrauisch betastete er die Oberfläche des Pferdes. Sie fühlte sich unter dem dünnen schwarzen Kunststofffell nachgiebig an.
„Was ist das für Material?" erkundigte er sich.
„Was soll es schon sein!" erwiderte Aura. „Billigstes Plastik, wie das meiste in Lellöys Laden. Es gehörte früher wahrscheinlich zum Inventar eines Wandertheaters. Auf jeden Fall aber schwebt es auf einem Luftkissen, das von einem urzeitlichen Gebläse erzeugt wird. Keine Computer, keine Versager! Du verstehst?"
„Oh, ja!" gab Domaschek erschüttert zurück. „Hoffentlich trägt es mich. Ich wiege immerhin an die neunzig Kilo."
„Für dich riskiere ich alles", versicherte Digitalis Aura.
Ächzend kroch Domaschek von hinten auf den Pferderücken und schlang die Arme um den Pferdehals. Etwas knackte verdächtig, aber das Pferd brach nicht auseinander.
„Wo hast du eigentlich dein Schwert?" erkundigte er sich.
„Das Schwert des Lichts!" korrigierte Aura und hob die rechte Hand mit dem winzigen Kasten. „Ein Pentadimfeldprojektor!" rief er triumphierend. „In der Hand eines potentiellen Ritters der Tiefe die ultimate Waffe! Wo wartet dieser Abgesandte der Kosmokraten?"
„Vor dem Hauptportal", antwortete Domaschek.
Er schloß die Augen, als es im Bauch des Pferdes zu dröhnen begann und eine Art Orkan seine Kleidung flattern ließ. Die Konstruktion bebte, dann verwandelte sich das Dröhnen in ein schrilles Pfeifen - und das Pferd hob schwankend ab und schwebte schwerfällig einige Zentimeter über dem Boden davon.
7.
Chthon stand noch an derselben Stelle, an der Lassel Domaschek ihn verlassen hatte.
Das seltsame „Gespann" näherte sich ihm von der linken Seite des Illusionssalons, denn Digitalis Aura hatte es durch eine offene Seitentür verlassen. Er wolle die Kassenroboter nicht beschädigen, hatte er behauptet. Domaschek glaubte eher, daß er seiner „Ultimaten Waffe" nicht zutraute, mit den Robotern fertig zu werden.
Der Siganese hielt das Pferd dicht neben Chthon an, schaltete aber das Gebläse nicht ab.
„Sei gegrüßt, hehrer Abgesandter der Kosmokraten!" schallte es aus seinem Stimmverstärker.
Chthon fuhr herum. Die weißen Pupillen schienen Impulsstrahlen zu verschießen.
„Wer hat da gesprochen?" fragte er mit unüberhörbarer Drohung in der Stimme.
Der Siganese reckte sich. Sein blutroter Schulterumhang flatterte in den Luftwirbeln.
„Ich, Digitalis Aura, ein potentieller Ritter der Tiefe. Bist du kein Abgesandter der Kosmokraten?"
„Ich bin Chthon, nichts weiter", gab der Unheimliche schroff zurück.
„Schon gut!" sagte Aura besänftigend. „Ich wollte nicht indiskret sein. Deine Augen! Aus ihnen sprechen die größten Geheimnisse des Universums. Meine Verehrung, Chthon!
Würdest du bitte ganz vorsichtig auf meinen Mustang steigen! Er ist leider ein wenig zerbrechlich, und Lassel allein wiegt schon an die neunzig Kilo."
Ein kaum merkliches Lächeln zuckte um Chthons Mundwinkel.
„Mich wird dein Mustang gar nicht spüren", versicherte er.
Im nächsten Moment saß er hinter Domaschek.
Digitalis Aura schluckte hörbar, was ebenfalls durch sein Gerät verstärkt wurde, dann steuerte er das Pferd um den Lord-Zwiebus-Place herum und in die Molol-Allee hinein, die letzte Straße von Garnaru. Dahinter fing die City von Terrania an - und etwa dreißig Kilometer weiter lag das Hauptquartier der Kosmischen Hanse.
Auch die Molol-Allee war mit Gleiterwracks bedeckt, so daß Aura sein gebrechliches Fahrzeug ständig um Hindernisse herumsteuern mußte. Dazu kam, daß sich ihm mehrmals Passanten in den Weg stellten und es anzuhalten versuchten. Glücklicherweise wandten sie niemals Gewalt an und sprangen stets im letzten Augenblick beiseite, aber Lassel geriet jedes Mal ins Schwitzen.
Als sie die City von Terrania erreichten, änderte sich nur wenig. Die Gebäude waren etwas höher als in Garnaru; dafür waren die Parks mit ihren Seen und künstlichen Bachläufen zahlreicher.
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