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1151 - Das Babel-Syndrom

Titel: 1151 - Das Babel-Syndrom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Die Menschen hatten sich größtenteils in ihre Wohnungen zurückgezogen. Nur hier und da standen kleine Gruppen und bereiteten sich auf primitiven Feuerstellen warme Mahlzeiten.
    Am bedrückendsten wirkte auf Domaschek, daß alle diese Menschen schwiegen. Sie hatten eingesehen, daß die Sprachverwirrung unüberwindbar war, und beschränkten sich darauf, sich in wenigen Fällen durch Gesten zu verständigen, so gut es ging.
    Hin und wieder begegnete das seltsame Trio Mitarbeitern des Ordnungsdiensts, die von Haus zu Haus gingen. Wahrscheinlich kam es ihnen nur darauf an, daß sie gesehen wurden und allein dadurch beruhigend wirkten. Möglicherweise verteilten sie auch Medikamente und Vitamintabletten.
    Lassel Domaschek fand das alles gespenstisch. Er fragte sich, wie es in Terrania aussehen würde, wenn der gegenwärtige Zustand anhielt. Da alle Transportmittel ausgefallen waren, konnten keine Lebensmittel mehr verteilt werden. Wasser gab es lediglich an den Straßenhydranten, die rein mechanisch arbeiteten. Aber wie sollten der anfallende Müll und der Unrat beseitigt werden? Wahrscheinlich würden die Menschen alles auf die Straßen kippen, denn in ihren Wohnungen konnten sie es schließlich nicht lassen. Terrania würde sich in eine stinkende Kloake verwandeln.
    Er erkundigte sich mehrmals bei Chthon nach der Ursache des Babel-Syndroms und wie lange es anhalten würde, doch er bekam nie eine Antwort. Manchmal fragte er sich, ob der Unheimliche überhaupt etwas Wissenswertes wußte, und allmählich regte ihn die Atmosphäre von Trauer und Tragik auf, in die Chthon sich hüllte.
    Digitalis Aura schien das alles weniger zu berühren. Er hockte in seinem Schwebesessel zwischen den Ohrenfragmenten des Theaterpferds und sang uralte Balladen, deren Sinn der Psychologe nicht verstand. Der „dicke" Zopf, zu dem sein schwarzes Haar sorgfältig geflochten war, pendelte beständig über dem flatternden blutroten Schulterumhang.
    Sicher, Digitalis hatte alle Hände damit zu tun, den Gaul per Fernbedienung zu steuern und über dem Boden zu halten, aber er hätte nicht so zuversichtlich sein dürfen.
    Nach zwei Stunden hatten sie etwa zwölf Kilometer zurückgelegt, und Domaschek rechnete sich aus, daß sie das HQ-Hanse noch vor dem Einbruch der Dunkelheit erreichen würden, als plötzlich farbige Lichtkaskaden über den Himmel tanzten.
    Dumpfes, anhaltendes Grollen ertönte, dann fingen die auf den Straßen liegenden Gleiterwracks an zu klappern, zu quietschen und zu rasseln.
    Aus entsetzt aufgerissenen Augen sah Domaschek, daß sie sich bewegten. In der Hauswand, an der das Pferd gerade entlangschwebte, bildete sich knirschend ein Riß.
    Irgendwo zersprangen Glassitfenster. Das Klappern der Wracks wurde lauter. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite stürzte wie in Zeitlupe eine Hausfassade in sich zusammen.
    „Kannst du nicht hochziehen!" schrie Lassel dem Siganesen zu. „Das ist ein Beben!
    Wenn die Häuser einstürzen, werden wir von den Trümmern begraben!"
    Digitalis arbeitete hektisch an seiner Fernbedienung.
    „Es geht nicht", erklärte er. „Das ist schließlich kein Flugglei..."
    Erschrocken brach er ab, als das Pferd sich vorn aufrichtete und an Höhe gewann.
    Lassel Domaschek schlang wieder die Arme um den Hals des Pferdes und versuchte, nicht nach unten zu blicken. Dennoch tat er es unter einem inneren Zwang - und was er dabei sah, verstärkte sein Entsetzen noch.
    Zahlreiche Menschen waren von dem Erdbeben aufgeschreckt worden und verließen soeben ihre Häuser. Aber sie hatten kaum die ersten Schritte im Freien getan, als sie sich vom Boden lösten und mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten in die Luft stiegen.
    Gellende Schreie erschollen. Immer mehr Menschen schwebten mit ausgebreiteten Armen und Beinen nach oben. Zu ihnen gesellten sich die Trümmer eingestürzter Fassaden, die vom Boden abgeprallt waren und infolge ihrer größeren Geschwindigkeit die Menschen einholten und überholten.
    Domaschek kreischte auf, als ein zentnerschweres Trümmerstück raketengleich auf das Pferd zuraste.
    Aura beugte sich aus seinem Sessel, zielte mit dem kastenförmigen Gerät auf das Trümmerstück und berührte einen Sensorpunkt. Der Trümmerbrocken geriet in schnelle Rotation, setzte seinen Aufstieg aber unbeirrt fort. Erst wenige Meter unter dem Pferd zerplatzte er in Tausende von Splittern.
    Ein Bombardement hagelkorngroßer Splitter prasselte gegen den Bauch und die Beine des Pferdes. Lassel spürte einige

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