1154 - Dämonen-Trauer
und seine bange Erwartung löste sich langsam auf. Es erfasste ihn eine gewisse Entspannung, und er war sogar in der Lage, den Namen auszusprechen.
»Raniel…«
***
Die Antwort erhielt er nicht auf der Stelle. Erst musste Raniel seinen anderen Zustand ablegen. Auf Grund seiner ungewöhnlichen Existenz war er in der Lage, in zwei Gestalten auftreten zu können, und das hatte er hier bewiesen.
Dunkle Haare, dunkler Umhang. Das etwas blasse Gesicht, die wieder dunkel gewordenen Augen, das alles gehörte zu ihm und war dem Inspektor auch sehr gut bekannt.
Der Gerechte war kein Feind. Er wollte nur eines: Gerechtigkeit in diese Welt hineinschaffen, wobei er des Öfteren einsehen musste, dass er immer wieder an Grenzen stieß.
Raniel nickte Suko zu. Es war eine knappe Begrüßung, und der Inspektor stellte sofort die Frage, die ihm auf der Seele brannte. »Wo ist John Sinclair?«
»Er musste weg.«
»Ja, das habe ich gesehen. Verflixt, mein Gefühl hat mich nicht getrogen. Ich wusste, dass etwas passiert war, aber ich weiß nicht, wohin er gegangen ist.« Er hob in einer hilflosen Geste die Schultern. »Wo steckt er? Wohin hat er sich gewandt, und warum hat er das alles getan? Das will ich wissen!«
»Ich habe ihn geholt.«
Suko nickte. »Sehr gut. Du hast ihn geholt, bist aber allein zurück gekehrt. Hast du ihn verloren? Ist etwas mit ihm geschehen? Ich merke doch, dass nicht alles so gelaufen ist wie es hätte laufen sollen. Da braut sich einiges zusammen.«
»John wird gebraucht. Er wird mir helfen, so wie ich ihm schon geholfen habe. Ich bin nur zurückgekehrt, um etwas zu holen, das ich ihm bringen werde.«
»Was denn?«
»Das Schwert!«
Suko wusste Bescheid. Er sagte nichts. Es war das Schwert des Salomo und zugleich die Waffe, die John aus der Vergangenheit mit in seine Zeit gebracht hatte. Es war eine besondere Klinge. Innen mit Gold ausgelegt, außen mit Stahl. Und John hatte sie auch deshalb bekommen, weil er der Sohn des Lichts war und damit würdig, dieses Schwert zu tragen, das zugleich ein Bollwerk gegen die dämonischen Horden aufbauen konnte. Er hatte es nicht oft eingesetzt. Die Gründe waren verschieden, doch jetzt musste es wichtig sein, sonst wäre der Gerechte nicht zurückgekehrt, um es zu holen.
Suko verdrängte die Gedanken an die Klinge und fragte: »Dann weißt du, wo sich John aufhält?«
»So ist es.«
»Weit weg?«
»Nein. Auf einer kleinen Insel. Sie liegt noch im Bereich dieser Stadt. In einem Nebenarm der Themse.«
»Warum ist er dort hingegangen?«
»Weil ich es so wollte.«
»Gut, aber weiter. Wen hat er dort getroffen?«
»Es war die trauernde tote Seele. Es war der Tote, der heimatlos geworden ist.«
Suko wollte lächeln. Es wurde nicht einmal ein mattes Grinsen daraus. »Hast du noch mehr dieser Antworten in deinem Gepäck? Es ist nicht einfach, das nachzuvollziehen.«
»Das weiß ich. Wir sollten nicht zu lange warten. Wir müssen ihn unterstützen. In den Reichen der Finsternis ist einiges in Bewegung geraten. Ich habe es zuerst gespürt. Ich habe gemerkt, dass die alten Grenzen aufgerissen werden sollen. Ich habe versucht, dagegen anzukämpfen und konnte es nicht verhindern. Die Zeiten werden nicht besser, wenn die Karten anders verteilt sind.«
»Alles klar, Raniel. Nur verstehe ich das nicht!« Suko schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, was ich davon halten soll.«
»Heimatlose Tote…«
»Ha, ha, hört sich fast zu schön an, um wahr zu sein. Was verstehe ich darunter?«
»Sie haben ihre Welt verlassen. Aber es sind keine Toten, wie du sie dir möglicherweise vorstellst. Keine lebenden Leichen, keine Zombies, die aus Grüften kriechen, es ist etwas ganz anderes, das befreit werden soll und schon befreit wurde.«
»Sag es endlich!«
»Die Seelen der vernichteten Dämonen!«
Suko war auf jede Überraschung gespannt und vorbereitet gewesen. Hier hatte er seine Schwierigkeiten, das nachzuvollziehen. Er wiederholte den letzten Satz flüsternd, um dann leise zu fragen:
»Sind sie nicht im Reich des Spuks für alle Ewigkeiten gefangen?«
»So sollte es sein.«
»Aber es ist nicht mehr so - wie?«
»Nein, Suko. Die Gerechtigkeit wurde unterbrochen. Jemand will die alte Ordnung auf den Kopf stellen. Ich habe es gespürt. Es hat auch meinen Bereich erschüttert, und ich sah, wie Lilith im Hintergrund triumphierte. Sie hat ihre teuflische Freude daran, und sie weiß auch wie schwer es ist, alles zu stoppen.«
»Wer hat die Macht, so etwas zu tun?«,
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