1158 - Kalt wie der Tod
Stunden zu zweit gefreut, denn Glenda war zu Besuch gekommen. Nicht nur um zu reden oder zu trinken, nein, sie war zuvor auch einkaufen gefahren und hatte mir manche Dinge mitgebracht, die ich in meinem Kühlschrank verstaute, der wirklich bis auf ein paar Dosen Bier und einigen Eiern leer gewesen war, was Glenda nur zu einem langen Kopfschütteln veranlasst hatte.
Beim Einräumen erwischte mich der Anruf. Glenda, die neben mir in der Küche stand und mir zuschaute, meinte nur: »Ignorieren.«
Ich wuchtete die Kühlschranktür zu. »Würdest du das denn tun?«
»Nein.«
»So denke ich auch.«
»Du bist beschäftigt.«
»Weiß ich. Deshalb kannst du abheben.«
»Ich will mal nicht so sein.« Sie verschwand aus der Küche und kümmerte sich um den tragbaren Apparat, den sie von der Station nahm. Mit ihm in der Hand kehrte sie zu mir zurück. »Wer ist es denn?«
»Harry Stahl.«
Ich zuckte leicht zusammen. Wenn Harry um diese Zeit anrief, war bestimmt etwas im Busch. Er läutete nicht durch, um mir mal kurz guten Abend zu wünschen. Glenda sah meinem Gesicht an, dass ich mich nicht unbedingt freute.
»Harry, das ist aber eine Überraschung.«
»Klar. Und das noch am Abend.«
»Die Zeit ist christlich.«
Er lachte. »Außerdem scheinst du dich mit deinem Besuch ein paar schöne Stunden…«
»Halt, so ist das nicht!«, unterbrach ich ihn. »Wir beide räumen soeben den Kühlschrank ein. Der war leer wie eine Flasche Bier im Sommer.« Ich räusperte mich. »Rufst du nur zum Spaß an oder steckt mehr dahinter?«
»Leider mehr, und ich denke, dass der weitere Verlauf deines Abends nicht so fröhlich sein wird.«
Seufzend setzte ich mich auf den Stuhl. »Dann lass mal hören, Harry, was dir die Ruhe raubt.«
»Ein vierfacher Mörder und ein Dämon.«
Das war eine harte Nuss, und aus meinem Gesicht verschwand die Fröhlichkeit, als ich erfuhr, was sich ereignet hatte. Der vierfache Mörder konnte mir dabei auf eine gewisse Art und Weise egal sein, es ging um die Gestalt, die sich außerdem noch im Zimmer aufgehalten hatte.
Ich wollte, dass Harry sie mir haargenau beschrieb, und das tat er auch. Bereits nach den ersten Worten stand für mich fest, dass sich hinter dem menschlichen Aussehen der Gestalt etwas anderes verbarg. Etwas Schlimmes. Eine grauenvolle Kreatur, für die es auch eine Bezeichnung gab, wenn alles so stimmte.
Es war eine Kreatur der Finsternis!
Ich sprach meine Gedanken aus und hörte meinen Freund Harry Stahl leise stöhnen. »Genau das befürchte ich auch, John.«
Harry Stahl berichtete mir zwar keine weiteren Details über das Aussehen der Gestalt, doch er erklärte mir, wie elegant dieses Wesen die Flucht ergriffen hatte. Schließlich sprach er davon, dass er sich nicht vorstellen konnte, warum sich der Killer überhaupt mit diesem Wesen getroffen hatte.
»Genau das macht mir Sorge, John. Was wollte die Kreatur von dem vierfachen Mörder? Sie vielleicht für ihre Zwecke einspannen? Oder wie siehst du das?«
»Ähnlich, Harry.«
»Dann gibt es noch ein Danach.«
»Klar.«
»Gut, dass du es so siehst. Wie wäre es, wenn du mich hier in Brandenburg besuchst? Ich bin mir inzwischen nicht mehr sicher, ob es nur bei dieser einen Kreatur bleibt. Es könnte durchaus sein, dass es noch mehr davon gibt.«
»Das ist nicht schlecht gedacht, Harry.«
»Danke. Du kommst also?«
Er erwartete von mir eine Entscheidung. »Okay, du Quälgeist. Ich werde morgen die erste Maschine nach Berlin nehmen, denke ich.«
»Ja, dort hole ich dich ab. Wobei ich hoffe, dass die Nacht ruhig verlaufen wird.«
»Wieso? Erwartest du noch etwas?«
Er räusperte sich. »Man kann nie wissen. Mich hat er in Ruhe gelassen, worüber ich mich jetzt noch wundere. Wenn ich auf mein rechtes Handgelenk schaue, dann fällt mir auch die Erinnerung auf, die die Zunge hinterlassen hat. Sieht aus wie ein roter Ring. Ich habe den ermittelnden Kollegen nichts von der Kreatur gesagt, aber sie ist unterwegs, John, und wir sollten sie so rasch wie möglich stoppen. Du weißt selbst, wozu diese Kreaturen fähig sind.«
»Stimmt.«
»Kommst du dann?«
Ich hatte mich schon längst entschieden, bestätigte es noch einmal und hörte, wie Harry zufrieden grummelte. Dann sagte er noch: »Trotzdem wünsche ich dir einen schönen Abend.«
»0 ja, den werde ich haben. Halt dich tapfer, alter Knabe.«
Ich schaltete das Gerät aus und schaute dabei zu Glenda Perkins hin, die an der Küchentür stand und die Arme vor der Brust
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