1163 - Invasion der Fairy Queens
und unfertig wirkten, nur um dann ihre betörend feine Struktur zu enthüllen. Und als Lisovich in diese faszinierenden Gesichter blickte, wußte er plötzlich, mit wem er es zu tun hatte; er wußte, daß ihm von diesen Geschöpfen keine Gefahr drohte, daß sie keine bösartigen Eroberer waren, sondern, daß ihr einziges Bestreben darin bestand, den Menschen das Geschenk der Liebe zu bringen.
Fairy Queen, dachte Lisovich. Die Feenkönigin aus den Märchen meiner Kindheit. Und dieses weiße Spinnwebgewand, das aus ihren Nacken wächst... Elfenhaar.
Etwas polterte, und aus den Augenwinkeln sah Lisovich, daß die Maschrums ihre Waffen fallen gelassen hatten.
Die Fairy Queens standen still da, mit goldenen Augen, lieblichen Gesichtern, und sie lächelten. Kein Falsch war an ihnen, keine Bosheit. Nur Vertrauen, Frieden, Liebe.
Die beiden Maschrums watschelten auf die beiden Fairy Queens zu. Sie sagten nichts, und auch die Fremden schwiegen, aber Lisovich spürte, daß zwischen ihnen eine Verbindung entstand, die weitaus subtiler und enger war als jene, die sich mit den groben Mitteln der verbalen Kommunikation knüpfen ließ. Wieder dieses helle Lachen. Mit seinem oberen Armpaar drückte Örp-Zwei die verkantete Tür in den Wandrahmen, bis die Öffnung groß genug war, um auch die beiden Maschrums passieren zu lassen, und ohne Lisovich und Hirni noch eines Blickes zu würdigen, verschwanden Örp-Eins und Örp-Zwei mit ihren Fairy Queens im Hausflur. Ihre Schritte wurden leiser und verklangen dann ganz.
Lisovich preßte die Lippen zusammen.
Die Wärme wich aus seinen Gliedern und hinterließ ein Gefühl der vagen Enttäuschung. „Sie sind fort", sagte er heiser.
„Die Einsamkeit des Lebens", erwiderte der Androide, „ist nur ein blasser Schatten der wahren Einsamkeit, die der Tod für uns bereithält. So sehr wir auch die Menschen suchen, wir bleiben immer allein. Und in den Momenten, wo wir glauben, einem anderen am nächsten zu sein, sind wir in Wirklichkeit am einsamsten. Das ist die Gnade unserer beschränkten Wahrnehmungsfähigkeit. Nur die Selbsttäuschung läßt uns in der Leere überleben, in der unser Dasein verläuft."
In diesem Augenblick betrat eine weitere Fairy Queen den zerstörten Raum. Und da war es auch wieder - die Wärme, die Geborgenheit, das allumfassende Glücksgefühl, neben dem alles andere verblaßte. Die Fairy Queen lächelte Lisovich an, und in diesem Lächeln sah der Mann das Versprechen der Liebe. Er erwiderte das Lächeln. Langsam trippelte das blaue Wesen auf ihn zu. Mit goldenen Augen, mit einem zarten Feengesicht.
Plötzlich blieb die Fairy Queen stehen.
Ihr Lächeln verschwand. Der Glanz ihrer Goldaugen erlosch. Und ihr Gesicht verlor die klare Zeichnung der Züge und wurde kantig und roh wie ein Marmorblock, den ein Bildhauer nach den ersten unbeholfenen Versuchen in die Ecke gestellt hatte. Die Fairy Queen stöhnte. Sie sah von Lisovich zu dem Androiden, und etwas wie Qual und Schrecken spiegelte sich in ihren trüb gewordenen Augen. Dann wich sie zurück.
Zunächst langsam, mit zögernden Trippelschritten, bis sie herumwirbelte und davonlief, durch die Tür, in den Korridor, in das Grau, das von draußen in die Ruine des Nome-Tschato-Turms gekrochen kam.
Laus Lisovich schüttelte benommen den Kopf. Die Euphorie war verschwunden. Kälte kehrte in seine Gedanken ein. Und mit der Kälte kam das Verstehen. Er sah in das blasse, betrübte Bioplastgesicht des Vario-Psychotischen Androiden-Systems und suchte nach einem Anzeichen dafür, daß auch Hirni begriff, was geschehen war, aber natürlich war das Kunstgehirn des VPAS nicht für derart komplizierte Assoziationsketten programmiert.
Lisovich hockte sich neben Hirni auf den Boden und strich mit der Hand über die Wange des Androiden. „Ich glaube", sagte er rau, „ich glaube, die Fairy Queens mögen dich nicht.
Vielleicht haben sie sogar Angst vor dir."
Hirni sagte nichts.
Auch draußen war es still.
Gespenstisch still.
5.
Als Chthon durch die Wand der Messe diffundierte, fiel sein erster Blick auf das Wandchronometer. Es war der 17. März 427 NGZ, 12 Uhr 35 Ortszeit.
Mittagszeit.
Aber die Messe war leer. Die Tische und Stühle zwischen den Hologrammen vom Typ Laubwald, Hundertsonnenwelt und Galaktisches Zentrum waren unberührt, die Servoautomaten an der Stirnseite des Saales waren deaktiviert, und niemand hörte die leise Hintergrundmusik, niemand roch das künstliche Aroma delikater Speisen, das von der
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