1167 - Die Tochter des Dämons
heißt Alina Wade. Eine junge Frau, die ich auf dem Friedhof traf und die uns das Schicksal praktisch zugespült hat.«
»Mehr nicht?«
»Doch, hör zu, John.«
Das tat ich auch. Was ich erfuhr, war kein Lügenmärchen, denn so etwas hatte die Horror-Oma nicht nötig. Sie war tatsächlich mal wieder mitten in die dämonische Szene getreten und hatte natürlich Blut geleckt. Sarah war raffiniert. Sie hatte durch Fragen herausgefunden, was mit dieser Alina los war, und dann hatte es den Hammer zum Schluss gegeben, als sie bewusstlos geworden war.
»Ist sie das noch jetzt?« fragte ich.
»Ja.«
»Soll ich kommen und sie aufwecken?«
»Lass die Witze, John. Das riecht ziemlich faul. Du könntest dich um Alina kümmern und eventuell auch um ihren verstorbenen Vater, wenn das möglich ist.«
Ich stöhnte. »Wenn du es nicht gewesen wärst, die mich angerufen hätte, wäre ich hier sitzen geblieben. Du hast auch Glück, dass der Teller leer ist. Ich bin dann so schnell wie möglich bei euch, Sarah.«
»Wunderbar, Geisterjäger. Ich wusste doch, dass ich mich auf dich verlassen kann.«
»Ja, ja, bis gleich dann…«
Ich schaltete den Fernseher aus und dachte wieder mal daran, dass jemand wie ich eigentlich nie Feierabend hatte. Da meine Feinde ebenfalls keine Ruhepause kannten, war ich gezwungen, mich nach ihnen zu richten. Begeistert war ich nicht, aber das Pflichtgefühl hatte mal wieder gesiegt…
***
Eine Dose Bier machte mich nicht fahruntüchtig, zumal ich noch dazu was gegessen hatte. Ich fuhr mit dem Rover los und steuerte Mayfair an. Es war eine sehr klare Nacht. Einmal konnte ich sogar das neue Riesenrad sehen, das am Ufer der Themse stand und für manche Menschen Londons neues Wahrzeichen war.
Ich hielt mich da lieber an die alten Dinge. Wie den Tower, Buckingham Palace und so weiter.
In Mayfair hatte sich schon die nächtliche Ruhe ausgebreitet. Der Schein der Laternen bildete unterschiedlich große Lichtinseln, zwischen denen die alten Häuser und Villen standen, die ebenfalls schon so etwas wie Wahrzeichen oder Traditionen waren.
Ich fand einen Parkplatz zwischen den berühmten Bäumen, auch wenn ich den Rover schräg auf den Bürgersteig stellen musste. Dann stieg ich aus.
Lady Sarah oder Jane hatten aufgepasst. Ich brauchte nicht erst zu klingeln, denn als ich den Vorgarten durchschritt, wurde mir bereits geöffnet.
Jane Collins stand vor mir. Sie lächelte zwar, aber das Lächeln wirkte doch ein wenig gekünstelt.
Von Sarah sah ich nichts. Nachdem ich das Haus betreten und Jane auf beide Wangen geküsst hatte, flüsterte ich: »Ist das wirklich so schlimm, wie Sarah es am Telefon angedeutet hat?«
Sie hob die Schultern. »Zumindest ist es sehr rätselhaft.«
»Ist die Frau noch bewusstlos oder ohnmächtig?«
»Weiß ich nicht. Vorhin war sie es noch. Ich habe dann hier auf dich gewartet. Jedenfalls bekam sie vor mir Angst, als ich näher auf sie zuging.«
Ich grinste. »Das kann ich sogar verstehen.«
Jane boxte mir gegen den Rücken. »He, was soll das? Hast du etwa auch Angst vor mir?«
»Klar. Und auch Respekt.«
»Das muss auch so sein.«
Unsere Frotzelei hörte auf, als wir das Wohnzimmer betraten, wo Lady Sarah Goldwyn stand wie ein Feldwebel. Sie hielt die Arme vor der Brust verschränkt und schaute auf einen Sessel, in dem Alina Wade ihren Platz gefunden hatte.
Ich ging so leise wie möglich auf Sarah zu, die mich kurz anlächelte und dann auf die Frau deutete.
»Das ist sie, John.«
Sarah hatte eine Stehlampe eingeschaltet. Sie stand so günstig, dass ihr Licht Alina erreichte und ich sie mir genau anschauen konnte. Bei ihr fielen zuerst die langen rotblonden Haare auf. Ob die Farbe echt war, konnte ich nicht sagen. Jedenfalls ließen sie das Gesicht klein aussehen, und ich stellte auch fest, dass sie weder ohnmächtig noch bewusstlos war.
Halb saß, halb lag sie und schaute irgendwie mit leeren Blicken zu mir hoch.
Sarah hatte mir etwas von »Augen wie Spiegel« berichtet. Das war nicht der Fall. Alinas Augen waren völlig normal. Vielleicht abgesehen von der blassgrünen Farbe, die äußerst selten war.
Obwohl sie mich sah, reagierte sie nicht. Das Gesicht blieb starr. Sie traf auch keine Anstalten, mich anzusprechen und war in ihrer eigenen Welt versunken.
Deshalb machte ich den Versuch. »Hallo, Alina. Können Sie mich hören, bitte?«
Sie reagierte nicht.
»So war es bei uns in der letzten Zeit auch«, erklärte Lady Sarah. »Janes Anblick muss ihr einen
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