1167 - Die Tochter des Dämons
Schock versetzt haben.«
»He, wie sich das anhört!«, beschwerte sich Jane.
»Nicht jeder ist so abgebrüht wie wir«, sagte ich.
»Ha, ha.«
Ich beugte mich zu Alina hinab. Sie atmete nur schwach. So wie jemand, der in einen tiefen Schlaf gefallen war. Aber sie hatte trotzdem gemerkt, dass sie mit den beiden Frauen nicht mehr allein war, denn plötzlich zuckte sie zusammen.
Dann richtete sie sich auf.
Beinahe wäre sie mit mir zusammengeprallt. Im letzten Augenblick brachte ich mein Gesicht in Sicherheit.
Sie schaute mich an.
Ich sagte nichts. Ich konzentrierte mich nur auf diesen Blick, der alles andere als normal war. Er war fest, er war zugleich lauernd. Er war auch forschend, vielleicht sogar tückisch. Da vereinigten sich einige Eigenschaften.
Gesprochen hatte sie nicht, nur geschaut. Auch ich hielt meinen Mund. Es war nicht die richtige Zeit, um etwas zu sagen. Ich wollte alles ihr überlassen.
Nicht nur mein Gesicht war für sie interessant, sie blickte auch an mir herab.
Langsam bewegte sie dabei den Kopf, bis hin zu einem gewissen Punkt.
Dann tat sich nichts mehr.
Ich wartete weiterhin ab, denn ich wusste, dass die Dinge noch nicht beendet waren. An Jane hatte sie etwas auszusetzen gehabt und es auf ihre Art und Weise klar gemacht. Mir erging es ähnlich, nur erlebten wir noch keine Reaktion.
Jane hatte die Zeichen der Zeit erkannt und sich sicherheitshalber zurückgezogen. Sie wollte auf keinen Fall die junge Frau mit den rotblonden Haaren stören.
Bisher hatte Alina nur ihren Kopf bewegt. Den hielt sie jetzt starr und hob stattdessen ihren rechten Arm an. Sie streckte auch die Hand aus, die ein bestimmtes Ziel hatte, wobei nicht mein Gesicht gemeint war, sondern eine Stelle, die tiefer lag, unter dem Kinn und auch unter dem Hals.
Es war meine Brust.
Und genau dort hing das Kreuz!
Wollte sie daran?
Es herrschte ein tiefes Schweigen im Zimmer. Die Ruhe der Nacht schien durch die Wände und Fenster eingedrungen zu sein, um sich hier zu manifestieren. Ich hörte nicht einmal das Atmen der Anwesenden, wobei ich mich mit einschloss, denn auch ich hatte in diesen spannenden Sekunden den Atem angehalten.
Ja, es war die Brust. Genau das war das Ziel dieser Hand, deren Finger zuerst mein Hemd umfassten, es zusammendrückten und fühlten, was sich darunter befand.
Es war das Kreuz!
Mit den Fingern ihrer rechten Hand umklammerte sie es, als wollte sie es mir von der Brust reißen.
Nur für einen kurzen Moment, dann reagierte sie. Auf ihrem Gesicht bildeten sich Schmerz und Schreck zugleich ab. Aus dem Mund drang ein tiefes Röcheln, das sich wenig später zu einem kurzen Schrei veränderte. Blitzartig ließ die Frau mein Kreuz los. Mit der Vorderseite presste Alina ihre Hand auf ihre Brust, zitterte und stöhnte dabei.
»Ruhig«, flüsterte ich ihr zu. »Sie müssen ganz ruhig bleiben, dann ist alles in Ordnung.«
Ob sie mich gehört hatte, war mir nicht klar. Jedenfalls zitterte sie weiter und wollte die rechte Hand auch nicht freiwillig von der Brust nehmen.
Ich half mit sanfter Gewalt nach, zog die Hand an mich heran, was Alina auch zuließ, und drehte sie dann um, als sich ihr Arm schon gestreckt hatte.
Ich schaute auf die Fläche.
Aber nicht nur ich, auch Lady Sarah sah hin, und sie sah das Gleiche wie ich.
Auf der Handfläche malte sich der Umriss meines Kreuzes ab!
***
Das war eine Überraschung. Damit hatten weder die Horror-Oma noch ich gerechnet, und ich spürte, wie ein Schauer über meinen Rücken rann. Zum Glück war Alina nichts weiter passiert. Sie hockte nur apathisch in ihrem Sessel und schaute ins Leere, als hinge sie irgendwelchen Erinnerungen nach.
Von ihrem Platz aus hatte Jane bemerkt, dass etwas passiert war. Sie wollte sehen, was, und kam deshalb näher. In einer gewissen Entfernung blieb sie stehen, weil sie nicht zu nahe an Alina herankommen wollte. Auch so sah sie, was geschehen war, und das Erstaunen breitete sich auf ihrem Gesicht aus.
»Sag was, John…«
Ich zog mich etwas zurück. »Im Moment bin ich ratlos.«
»Aber wir sehen den Abdruck.«
»Das schon.«
»Daraus muss man doch etwas folgern.«
»Müsste man eigentlich, Jane. Dennoch, ich weiß im Moment so gut wie nichts.«
»Dann sag doch das Wenige. Ich meine, wir können auch raten. Sarah wird mit mir einer Meinung sein, dass wir in Alina keinen normalen Menschen vor uns haben. Sie ist etwas anderes, aber ich weiß nicht, wie ich es erklären soll.«
»Zumindest ist sie keine Dämonin«,
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