1173 - Computerwelten
muß ihn retten, sonst ist alles verloren!"
Roi begriff davon nur, daß er offenbar wieder Kontakt mit Chthon bekommen hatte. Das mußte der Grund sein, warum er sich wie ein Verrückter gebärdete. Dabei mißachtete er die simpelsten Flug- und Sicherheitsregeln.
„Du hältst ihn versteckt, Vishna, aber ich habe seinen Ruf gehört. Er existiert noch. Ich muß ihn finden, bevor alles zu spät ist!"
Die SYZZEL taumelte und bockte. Taurec war so aufgebracht und verwirrt, daß es ihm nicht gelang, den Kurs zu stabilisieren. Einer dahintreibenden Wolke aus schwefelgelben Schneekristallen wich er nicht mehr aus. Das Schiff fegte schlingernd hindurch, und die daumengroßen Flocken lösten sich in blitzenden Funken auf, als sie die Sichtkuppel berührten.
„Mein Gott, so lande doch!" schrie Roi voller Panik. „Wenn du so weitermachst, rast du geradewegs in den Tod!"
„Ihr Narren!" rief der Einäugige hysterisch. „Begreift endlich, daß ich ihn erreichen muß!"
Roi Danton handelte spontan. In einer heftigen Bewegung packte er den Gesandten der Kosmokraten und stieß ihn mit aller Kraft vom Steuersattel. Taurec hatte damit nicht gerechnet und leistete keinerlei Widerstand. Er kippte zur Seite, verlor das Gleichgewicht und stürzte. Reflexartig fing er den Fall mit beiden Armen ab und rollte unverletzt ein Stück über den Boden. Bevor er sich Wieder erheben konnte, hatte Rhodans Sohn seinen Platz bereits eingenommen.
Er zitterte, während die SYZZEL führungslos durch die Düsternis raste. Er hatte keine Ahnung, ob das Schiff von ihm überhaupt Befehle annehmen würde. Aber bereits bei der ersten Berührung der Kontrollpyramide mit den Fingerspitzen beruhigte sich Roi Danton.
Es war, wie sein Vater es ihm beschrieben hatte. Sofort fühlte er sich mit der SYZZEL vertraut. In seinem Geist entstanden Positionsdaten und Flugwerte; wie im Traum bediente er die Steuerelemente. Der Kurs stabilisierte sich.
Taurec griff nicht ein. Vielleicht war ihm bewußt geworden, daß Roi Danton in diesem Moment die besseren Nerven besaß. Er stand zitternd neben ihm und atmete schwer.
Dann deutete er durch die Sichtkuppel nach draußen.
„Einer dieser Glastürme muß es sein", stieß er erregt hervor. „Dort ist er und wartet auf Hilfe. Ich habe ihn kurz gespürt, aber der Kontakt ist wieder gerissen. Er muß dort sein!"
Roi verlangsamte den Flug und beobachtete das Areal, auf das sie zusteuerten. Zwei jener farbigen Türme reckten sich dort wie gläserne Stalagmiten knapp fünfzig Meter in die Höhe. In geringer Entfernung davon dräute das rötliche Schloß durch den Dunst, und überall war die Luft erfüllt von kreisenden und flatternden Meta-Agenten.
Ein Anblick voller Grauen! dachte er beklommen. Ein Alptraum! Aber es blieb ihnen nichts übrig.
Sie mußten landen und hinausgehen in diese schreckliche, unwirkliche Welt.
*
Vishnas Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt. Sie hatte sich vorgenommen, auf der Nullsohle von Qual Kreuzauges Zeitturm zu bleiben, bis der Schatten seine Existenz verlor. Aber dieses Erlebnis und der damit verbundene Triumph schienen ihr so schnell nicht vergönnt zu sein.
Noch immer harrte Chthon aus. Fast meinte Vishna, der Prozeß der Auflösung sei seit ihrem letzten Besuch nicht weiter fortgeschritten, und mitunter fragte sie sich, ob es an seinem eisernen Willen lag, oder ob die Zeitlosigkeit der Nullsohle etwas damit zu tun hatte. Im letzteren Fall konnte sie ewig warten. Sie würde den Ordensmann danach befragen müssen.
Der Schatten lehnte weiterhin reglos an der Kristallwand, die auch für ihn ein massives Hindernis darstellte. Meist verhielt er sich ruhig, nur ab und zu sandte er spöttische Bemerkungen in Form mentaler Impulse in ihr Bewußtsein. Aber sie ließ sich nicht mehr reizen, antwortete selten. Im übrigen wartete sie und beobachtete schweigend.
Manchmal, wenn sie längere Zeit in sein farbloses, seltsam unbestimmtes Gesicht sah, in denen nur die Augen einen stechenden Kontrast bildeten, meinte sie die kantigharten Züge eines anderen zu erkennen - jenes anderen, der sich nicht erinnern konnte, den die Zwischenzone des Grauen Korridors verschluckt hatte und von dem ihr eine immer noch unbestimmte Ahnung zuflüsterte, daß er ihr auf irgendeine Weise vertraut war...
Sie vertrieb solche Eindrücke regelmäßig. Sie führten zu nichts. Allmählich fand sie sich damit ab, Chthons Ende nicht miterleben zu können. Ihr stand keine unbegrenzte Zeit zur Verfügung.
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