1175 - Zeitbeben
Der Diagnosecomputer begann sofort mit seiner Arbeit. Er würde eindeutig feststellen, ob Ellert als tot im Sinne des Gesetzes zu gelten hatte oder ob noch eine Spur von Leben in ihm war.
Ob das im Endeffekt einen Unterschied bedeutete, das allerdings war sehr fraglich.
Dessen war sich Rhodans Sohn auch bewußt.
Als die Leuchtfläche der Medobox hell wurde, beugte er sich tief hinab, um die Anzeigen besser erkennen zu können.
„Annähernd totaler Stillstand der Lebensfunktionen infolge Selbstvergiftung des Körpers", las er laut vor. „Scheintodähnlicher Zustand, der innerhalb weniger Minuten zum endgültigen Tod führen wird."
„Dann ist nichts mehr zu machen?" erkundigte sich Fleuron.
„Absolut nichts", antwortete Roi. „Selbst massive Wiederbelebungsmaßnahmen könnten ihn höchstens für Sekunden zu sich kommen lassen. Da er dennoch innerhalb von Minuten sterben müßte, wäre es grausam, das zu versuchen."
„Lassen wir ihn in Frieden hinübergehen!" sagte von Xanthen feierlich.
„Ich könnte ihm helfen, da noch eine Spur leben in ihm ist", flüsterte Stein Nachtlicht.
„Was sagst du da?" rief Roi überrascht und mit jäh wiedererwachender Hoffnung. Doch dann schüttelte er traurig den Kopf. „Nicht einmal auf Tahun wäre ihm noch zu helfen, und auch du kannst keine Wunder vollbringen."
„Sein organischer Menschenkörper ist verloren", gab der Ordensmann zu. „Aber sein unsterbliches Bewußtsein kann in einem Körper aus hochspezialisierten, atomprogrammierten Viren weiterexistieren. Taurec und Vishna hatten mit mir schon über diese Möglichkeit gesprochen, bevor der Sextadimsturm ausbrach."
„Einen Körper aus Viren - für den Geist eines Menschen!" rief Demeter entsetzt. „Das wäre schlimmer als der Tod."
„Wir Ordensmänner haben ähnliche Körper", erwiderte Stein Nachtlicht. „Aber das ist natürlich eine andere Sache. Die Ähnlichkeit wäre auch nur unter dem Feldmikroskop zu erkennen. Äußerlich würde der Virenkörper dem eines Menschen gleichen - und er würde alle seine Funktionen erfüllen."
„Das klingt, als hätten Taurec und Vishna sehr eingehend mit dir darüber gesprochen", sagte von Xanthen.
„Sie haben sogar das Programm entworfen und gespeichert", erklärte Stein Nachtlicht stolz. „Ich brauche es nur abzurufen. Aber natürlich werde ich das nur mit Ellerts Einverständnis tun. Deshalb bitte ich euch, ihn für kurze Zeit aus seiner Bewußtlosigkeit zu erwecken."
„Ich weiß nicht, ob wir das verantworten können", meinte Roi Danton zögernd.
Stein Nachtlicht wandte ihm sein „Gesicht" zu.
„Um Ellerts willen, tut es!" flehte er. „Ich Verspreche euch, daß er seinen Virenkörper akzeptieren wird."
Danton sah in die Schwärze und die blitzenden Funken in der Kapuzenöffnung des Ordensmanns, dann holte er tief Luft und sagte: „Ich tue es! Zumindest versuche ich es, und ich nehme die volle Verantwortung dafür auf mich."
„Du stehst ihm durch deinen Vater am nächsten", sagte von Xanthen. „Wir werden deine Entscheidung mittragen, Roi."
„Danke!" erwiderte Danton, dann nahm er die entsprechenden Schaltungen an der Medobox vor.
Da er die Warnung und Belehrung ignorierte, die das Gerät ihm in der Leuchtfläche übermittelte, begann die Box Sekunden später mit massiven Wiederbelebungsmaßnahmen, die sich dem Betrachter jedoch weitgehend entzogen.
Ungefähr eine Minute lang veränderte sich Ernst Ellerts Zustand nicht, dann tat er unvermittelt einen röchelnden Atemzug. Seine Brust hob und senkte sich unregelmäßig.
Als sein Atmen gleichmäßig wurde, flatterten die Überreste seiner Augenlider, dann hoben sie sich.
Stein Nachtlicht drängte Roi grob beiseite und beugte sich über Ellerts Gesicht.
„Kannst du mich sehen, Ernst Ellert?" flüsterte er.
Ein Schimmer des Erkennens trat in Ellerts Augen.
„Stein Nachtlicht!" hauchte er kaum verständlich. „Freund!"
„Uns bleibt nur wenig Zeit, also höre gut zu!" ermahnte der Ordensmann ihn. „Dein alter Körper ist nicht mehr zu retten, aber ich kann dir einen neuen Körper verschaffen. Er wird aus atomprogrammierten Viren bestehen, aber er wird äußerlich ein Menschenkörper sein - und er wird dir alle Dienste tun, die dein Originalkörper dir in seinen besten Zeiten geleistet hat und noch einiges mehr. Ich frage dich: Erteilst du mir dein Einverständnis zu dieser Metamorphose?"
Ellert atmete plötzlich schneller und wieder unregelmäßig. Er schien mit aller Willenskraft etwas
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