1176 - Der unheimliche Leichenwagen
wollte.
Er war noch da!
Im ersten Moment schoss ein gutes Gefühl durch meinen Körper, das sich sehr bald veränderte, als mir etwas Furchtbares auffiel. Auch das Kreuz hatte dem Phänomen der Zeit Tribut zollen müssen.
Es war weich geworden. Ich hatte das Gefühl, als würde es schmelzen und hörte neben mir ein Lachen, als hätte Valentin genau gewusst, was ich vorhatte.
Vom Kreuz sank meine Hand abwärts. Ich konnte nichts mehr tun und hatte den Eindruck, gefesselt zu sein. Mein Blick richtete sich wieder nach vorn. Auch ohne zu sehen, hatte ich gemerkt, dass wir mehr Tempo bekamen.
Wir rasten jetzt dahin - wir rasten durch die Zeit…
Der Tunnel hatte uns geschluckt. Wir waren seine Gefangenen. Nur Valentin konnte bestimmen, ob er uns freilassen würde. Rasend schnell fuhren oder glitten wir weiter. An den Wänden rannen die farbigen Ströme entlang. Eine Farbe selbst war nicht mehr deutlich auszumachen. Sie wirbelten ineinander und vermischten sich dabei zu einem trotz allem blassen Gebilde.
Plötzlich erschien das Ziel!
Die Hölle?
Nein, diese Hölle. Diese eine Hölle, und sie war mit Feuer gefüllt. Ob weit oder nahe, ich wusste es nicht, aber ich sah das lodernde Etwas, als wäre die Tür eines gewaltigen Ofens geöffnet worden.
Dort lebte oder existierte dieser Valentin, und dort war Victor Rossiter verbrannt worden.
Nichts hielt uns auf.
Der Vergleich hinkte nicht, der Leichenwagen fuhr tatsächlich wie auf Schienen der Hölle entgegen.
Neben mir lachte Valentin schaurig auf. Er stand dicht davor, seinen Triumph zu genießen. Er hatte in uns die Feinde erkannt, die es zu vernichten galt.
Ich wollte mich wehren. Das Kreuz half mir nicht. Es war einfach schrecklich, so tatenlos zu sein.
Überall auf meinem Körper lasteten die unsichtbaren Gewichte, und als ich meinen linken Arm zur Seite hinausstreckte und mich noch wegbeugte, da berührte ich zwar den alten Stoff der Kutte, aber mir fehlte einfach die Kraft, um die Hand um den Arm des Fahrers schließen zu können.
»Ihr werdet verbrennen!«, schrie Valentin. »Alle meine Feinde werden verbrennen. Ich habe die Hölle gefunden! Ja, ich habe sie endlich entdeckt. Der Traum ist in Erfüllung gegangen. Das Wunder ist passiert. Ein Mensch entdeckt den Weg in die Hölle…«
So sonderbar sich seine Worte auch anhörten, übertrieben waren sie keineswegs. Suko und ich befanden uns auf dem Weg in die Hölle. Ich hatte das Höllenfeuer schon öfter erlebt, und ich hatte dabei auch gesehen, dass es durch die Kraft meines Kreuzes gelöscht worden war. Aber die Flammen hatten auch ein anderes Aussehen gehabt als diese, denen wir jetzt entgegenrasten.
Sie waren echt. Sie waren bestimmt nicht kalt. Sie loderten und hatten sich zu einem zuckenden Brei aus Feuerzungen entwickelt, die manchmal wie die eingefärbten Schwingen irgendwelcher Drachenflügel wirkten, wenn sie um sich schlugen.
Ich sah Gesichter darin tanzen. Schreckliche, dämonenhafte Fratzen. Auch Monster tauchten plötzlich auf. Wesen, die schlangenähnlichen Mutationen glichen. Mit schmalen Körpern, mächtigen Köpfen und breiten Schwingen.
Das also war die Hölle, in der ich - wir - enden sollten. Verdammt, ich war nicht allein. Warum tat Suko nicht etwas? Warum griff er nicht zu und schleuderte Valentin aus dem Wagen?
Er tat etwas.
Er rief ein Wort.
Er versuchte dabei, die schon manipulierte Zeit noch einmal zu manipulieren.
»Topar!«
***
Entweder oder. Alles oder nichts. Reichte die Macht des Buddha aus, um auch in dieser manipulierten Ebene Bestand zu haben?
Keiner von uns wusste es. Und ich konnte schon gar nichts tun. Ich hatte das Wort sehr wohl gehört, danach aber war in mir alles erstarrt. Ich merkte nicht, dass ich fuhr, ich merkte nicht, dass ich atmete, und ich konnte nur hoffen, dass in fünf Sekunden alles vorbei war, entweder für immer oder dass mein Leben weiterging…
Es hatte Suko Anstrengung gekostet, endlich zu handeln. Andere Kräfte wollten ihn davon abhalten, aber er hatte es geschafft, den Stab berührt und das mystische Wort gerufen.
Es klappte.
Auch hier.
Suko konnte sich wieder bewegen. Nicht mehr langsam, sondern normal. Er brauchte nicht mal eine Sekunde, um dies festzustellen, und er wusste zugleich, wie wertvoll die Zeit war. In fünf Sekunden musste er alles hinter sich haben.
Sie fuhren nicht und standen. Sie waren in dieser Zeitebene gefangen. Erst Sekunden später würde die Reise in das mörderische Feuer weitergehen.
Mit beiden
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