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1183 - Zwischen Licht und Finsternis

Titel: 1183 - Zwischen Licht und Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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erreichbaren Gipfel, wartete eine Blues-Frau auf ihren Freier. Yurn war jung, geschlechtsreif und auserwählt, ihr beizuwohnen, sofern er sich gegen seine Konkurrenten durchsetzte. Wenn er jetzt aufgab, würde er womöglich Jahre warten müssen, bis ihm abermals Gelegenheit zur Paarung gewährt wurde.
    Er schloß die Augen und ließ das Gesicht vom kühlen Wind umspielen. Seine Gedanken blieben zwiespältig. Den Zwischenfall vermochte er nicht zu verdrängen; er würde ihm, zumindest anfangs, überall hin folgen. Der Wunsch nach Vermehrung jedoch war ein gleichwertiger, wenn nicht stärkerer Trieb.
    Plötzlich hörte er leise Schritte, die sich ihm zögernd näherten. Yurn erstarrte. Nein, dachte er entschlossen, diesmal würde er nicht kämpfen. Er wollte es nicht. Die Erinnerung war zu frisch, die Gefahr zu groß. Im Grunde wich er damit seiner eigenen Entscheidung aus und überließ sie einem anderen. Er hielt die Augen geschlossen und wartete. Das beste wäre, der Ankömmling schlüge ihn nieder und zöge weiter seines Weges: Yurns Gewissensnöte würden gegenstandslos.
    Der Fremde trat an seine Seite und blieb stehen. Yurn begann zu zittern. Ein Impuls der Gegenwehr durchzuckte ihn mit aller Macht. Auch seine Sache war es nicht, im Bewußtsein der Gegenwart eines Kontrahenten, der ihn womöglich brutal mißhandeln würde, stillzuhalten. Er zwang sich dazu, bebend und voller Angst. Der Hane, der über ihn hinweg flog und so unglücklich aufkam, daß er starb, war die Ursache für sein irrationales Verhalten.
    Doch der Unbekannte dachte nicht daran, ihn anzugreifen. Yurn hörte, wie er geräuschvoll die kalte Luft einsog. „Der Mann dort hinten... Hast du ihn getötet?"
    Yurn kannte die Stimme. Er wollte schreien, aber der Schock schnürte ihm die Kehle zu. Als er die Augen öffnete, sah er ihn neben sich stehen - den Mann, der bis zur Stunde sein Freund gewesen war und den er für einen aufrichtigen und integren Blue gehalten hatte.
     
    *
     
    „Du wunderst dich, mich hier zu sehen", stellte der Mann fest. In seinem Tonfall lag ein Ausdruck des Bedauerns. „Aber irgendwann wären wir uns ohnehin begegnet, so oder so."
    Yurn starrte ihn nur an. Er konnte es immer noch nicht glauben. In seine persönliche Enttäuschung über den anderen mischte sich Furcht. Weil er den Blue kannte, war er für ihn ein gefährlicher Mitwisser... „Du ...", brachte er hervor, „... du hättest an mir vorbeigehen können. Ich hatte die Augen geschlossen.
    Niemand hätte es erfahren."
    „Wie sollte ich ahnen, daß du vor, dich hinträumst, Yurn? Ich dachte, du müßtest mich längst bemerkt haben."
    „Nein", wehrte Yurn ab. „Erst als du mich ansprachst..."
    „Egal. Es ist passiert. Was tun wir also?"
    Yurn brachte keinen klaren Gedanken zusammen. Der neben ihm stand, war Cuurn-Kilyior-Toorit, der Gataser. Aus bevölkerungspolitischen Gründen durften Blues, die von einer anderen Welt als Zülüt stammten, keine Geschlechtsbeziehungen zu einer Hanen-Frau aufnehmen; sie wurden deshalb bei den Auswahlverfahren des Ersten Blocks der Fortpflanzung nicht berücksichtigt. Wenn Cuurn sich trotzdem an der Jagd nach dem Einest beteiligte, beging er ein Verbrechen, für das eine hohe Strafe angedroht wurde.
    Schon in der Himmlischen Kreatur des Geistes hätte Yurn merken müssen, daß der Freund im Begriff stand, seinen unbefriedigten Trieben zu folgen und widerrechtlich ein Einest aufzusuchen. Sogar dem fremden Blue an der Theke war es aufgefallen. Nur er, Yurn - er hatte es in seinem benebelten Schädel nicht wahrgenommen. Jetzt fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. „Du fragst mich, was wir tun sollen", stammelte er. „Ausgerechnet mich?"
    „Gewiß", gab Cuurn gelassen zurück.
    Irgendwie fühlte sich Yurn in die Defensive gedrängt. Der Gataser wirkte überaus selbstsicher und fordernd und legte ein Verhalten an den Tag, als sei er weit davon entfernt, die Verwerflichkeit seines Tuns zu erkennen. „Was erwartest du von mir?" begehrte Yurn auf. „Ich habe mir nichts zuschulden kommen lassen. Du bist es, der die hanischen Gesetze grob mißachtet. Du mußt schon selbst einen Ausweg finden."
    Cuurn-Kilyior-Toorit wandte sich um und entfernte sich einige Schritte, aber er entließ Yurn nicht aus seinem stechenden Blick. Mit den rückwärtigen Augen fixierte er ihn scharf. Schließlich blieb er stehen und begann leise zu sprechen. Der Wind trug seine Worte herüber. „Nein, mein Freund, du machst es dir zu einfach. Es ist nicht

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