1185 - Im Schloss der Skelette
Sie waren ein gutes Paar im Job. So leicht machten sie vor nichts Halt. Aber hier sah es anders aus. Da hatten sich die Dinge auf den Kopf gestellt. Dieser Gang oder Tunnel war nichts, was sie richtig greifen konnten. Da standen keine Gangster vor ihnen. Da brauchten sie nicht nach verschwundenen Ehemännern oder geheimen Unterlagen zu suchen, es gab hier nur den Tunnel, was auch nicht weiter tragisch gewesen wäre, wenn sie sich nicht in einer verdammt einsamen Gegend befunden hätten und die Erinnerung an die beiden Hunde nicht noch sehr wach gewesen wäre. Beide leuchteten in den Gang hinein, und die Strahlen fanden kein Ziel. Er war einfach zu lang.
»Weißt du, was das ist?«, flüsterte Poulin. »Das ist ein Stollen. Irgendein Stollen, den jemand in den Berg hineingetrieben hat.«
»Von wegen Schloss.«
»Genau.«
»Man hat uns verarscht«, sagte Virenque.
»Richtig.«
»Deshalb frage ich mich, ob wir noch hineingehen sollen.«
»Ein kleines Stück.« Poulin grinste. »Es ist ja möglich, dass wir einen Schatz finden.«
»Wieder wie im Märchen - oder?«
»Komm jetzt.«
Was beide wunderte, war die Tatsache, dass der Tunnel oder Stollen mit Steinen belegt war. Mit großen und sogar glatten Quadern, die von Menschenhand hierher gebracht worden waren und aussahen, als wären sie bearbeitet worden. Sie erinnerten schon fast an große Treppenstufen, die zu irgendeiner Tür hochführten, doch hier gab es nur den Stollen, der so endlos aussah und ins dunkle Nichts zu führen schien.
»Unheimlich«, sagte Poulin leise.. »Als wäre es nicht von dieser Welt.«
»Bist du schon wieder bei deinen Märchen?«
»Nein, das ist verdammt real. Zumindest fühle ich so.« Er saugte scharf die Luft ein. »Allmählich kommt es mir so vor, als hätten wir uns die Kohle noch nie so hart verdient.«
Poulin begann zu lachen. Laut, aber es gab kein Echo. Die Hälfte der Geräusche wurde geschluckt, als wären die Wände von innen ausgepolstert worden.
Poulin hatte die Führung übernommen. Er wollte den Job so schnell wie möglich hinter sich bringen. Er rechnete sich auch aus, wie viele Schritte oder wie viele Minuten er noch in den Stollen hineingehen würde. Bestimmt nicht bis zum Ende und auch nicht den gesamten Berg durch.
Etwas erwischte ihn im Gesicht.
Sofort blieb er stehen.
»He, was hast?«, fragte Virenque.
Poulin fuhr mit der freien Hand durch die Luft. »Kann ich auch nicht sagen. Irgendetwas hat mich erwischt.«
»Da ist nichts zu sehen.«
»Abwarten.« Poulin hob den rechten Arm. Er leuchtete in die Höhe. Beide, die sich auf diese Bewegung konzentrierten, sahen im Licht der Lampe das Glitzern der Fäden, die so dünn und fast unsichtbar waren und ein Schimmern abgaben.
Virenque lachte leise. »Weißt du, was das sind, Alter? Spinnweben. Nichts anderes als Spinnweben.«
Poulin wischte durch sein Gesicht. »Klar, die Dinger sind harmlos, aber nicht weniger unangenehm.«
»Da hast du Recht. Weiter.« Jetzt war es Virenque, der den Anstoß gab. Er wollte es endlich hinter sich bringen. Zudem brauchte er einen anständigen Schluck. Obwohl die Luft im Stollen feucht war, hatte er Durst bekommen. Er stellte sich ein großes Bier vor, während er Meter für Meter tiefer in den alten Stollen hineinschritt, nach vorn leuchtete und noch immer kein Ende sah, was ihn verdammt ärgerte.
Beide blieben stehen. Sie hatten sich nicht abgesprochen. Sie schienen gegen eine Wand gelaufen zu sein. Ihre sonst so harten und leicht arroganten Gesichter erhielten einen fast schon furchtsamen Ausdruck. Keiner traute sich, als erster das Wort zu übernehmen, als könnte er sich vor dem anderen blamieren.
»Sag es schon!«, zischelte Virenque.
Poulin war zufrieden. »Dann hast du sie auch gehört? Ich habe mir nichts eingebildet?«
»Nein, hast du nicht. Die Stimmen hat es gegeben. Der Wind ist das auch nicht gewesen. Der weht erst gar nicht hier.«
»Was machen wir?«
Virenque ließ sich nicht beirren. »Mal anders gesehen. Hast du verstehen können, was sie sagten?«
»Nein.«
»Aber es waren Stimmen?«
Poulin verdrehte die Augen. »Ich habe mich nicht geirrt, und ich bin auch nicht blöde.«
»Ich wollte mich nur vergewissern, wobei ich mich zugleich frage, wer hier gesprochen haben könnte, wenn wir doch alle davon überzeugt gewesen sind, dass es Stimmen waren.«
»Keine Ahnung.«
»Hast du jemand gesehen?«
»Du?«
Virenque schüttelte - den Kopf. »Nein, keine Lebewesen. Nur die beiden Schäferhunde
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