1185 - Im Schloss der Skelette
können, aber irgendetwas hat sie davon abgehalten. Vielleicht sollten sie es besonders gut machen. Wer kann das schon wissen…«
»Gut, ich hole sie mir!«
Der Abbé sagte nichts mehr. Aber er hielt den Würfel in seinen ausgestreckten Händen, denn er wollte die Brücke zwischen ihm und dem Kreuz aufrechterhalten.
Die Farbe war noch da. Es hätte eigentlich dunkler aussehen müssen, aber durch den violetten Farbton schob sich etwas anderes nach vorn, was mir sehr bekannt war und mir zugleich auch gut tat.
Es war das silbrige Flimmern. Das helle Licht. Das Zeichen, das gegen die Finsternis gesetzt worden war.
Der Abbé war für die vier Knochengestalten nicht mehr wichtig. Sie starrten jetzt mich an, und ich leuchtete sie an. Dabei stellte ich fest, dass sich der seltsame Nebel verdichtet hatte und noch näher an ihre Köpfe herangeschlichen war. Aus dieser Richtung wehten mir Geräusche entgegen, die ungewöhnlich und seltsam waren. Es mussten Stimmen sein, aber sie waren völlig verfremdet.
Vielleicht waren sie dabei, eine Botschaft in Worte zu fassen. Möglicherweise schrieen sie auch, um mir irgendetwas klar zu machen, aber ich hörte nicht genau hin. Was im Einzelnen gesagt wurde, musste mich nicht interessieren, für mich war einzig und allein der Ton wichtig.
So schrill. So wütend. So hasserfüllt. Je näher ich den vier Gestalten kam, umso schlimmer und schriller wurde dieses verdammte Schreien. Es drang nicht aus den offenen Mäulern der lebenden Skelette. Es waren einfach nur Gedanken, die akustisch umgesetzt wurden.
Die Laute drangen aus dem Ektoplasma hervor. Sie verließen es wie einen geisterhaften Kassetten-Rekorder. Das schrille Schreien wurde immer wütender, je näher ich auf die Gestalten zuging.
Dabei merkte ich die Veränderung meines Kreuzes.
Immer stärker zog sich das Violette zurück, sodass sich der Ursprung, das glänzende Silber, freie Bahn verschaffen konnte. Es drängte sich wieder hervor, und schon bald sah mein Kreuz fast so aus wie immer.
Ich atmete durch.
Ich spürte die Kraft, die sich auch auf mich übertrug, und ich merkte, wie das Gegenteil bei den Skeletten eintrat. Innerlich hatte ich mich auf einen mörderischen Kampf mit ihnen eingerichtet, doch dazu würde es hier nicht kommen.
Das Kreuz und der Würfel hatten die Befehle übernommen und waren dabei, die Geister der Toten zu vertreiben. Das helle Ektoplasma hatte sich bisher nahe der blanken Schädel gehalten, aber es griff mich nicht mehr an.
Es war nicht nur abgewehrt, sondern auch zerstört worden. Nicht auf einmal, nein, der Abbé und ich konnten zuschauen, wie es an Dichte verlor und immer durchscheinender wurde.
Zugleich verstärkte sich das Strahlen meines Talismans. Das wunderbare Silber gab auch mir die Kraft, die ich benötigte. Ich brauchte nicht mal die Formel zu sprechen, denn die Geister zogen sich zurück. Sie wirbelten, aber sie fanden nicht mehr zusammen und waren schließlich nur noch Fetzen.
Keine Stimmen mehr. Höchstens hier und da ein schrilles Schreien in meinem Kopf.
Trotzdem versuchten es die Knochen-Monster. Sie schafften es, sich zu bewegen. Aber wie schwerfällig es aussah. In Zeitlupentempo wurden die Waffen angehoben. Die Lanze, das Schwert, das verdammte Beil mit dem langen Stiel.
Genau dieses Skelett besaß noch die meiste Kraft. Für einen Moment benutzte es die Klinge des Beils als Stütze, dann wühlte es sich förmlich vor.
Es kam auf mich zu.
Ich blieb stehen und wartete, was passieren würde.
Knochenfüße schleiften über den Boden hinweg. Zwei, drei Schritte. Es war gefährlich nahe an mich herangekommen. Auch die Waffe wurde angehoben, aber noch in der ersten Ausholbewegung war es vorbei.
Mit einem hässlichen und knirschenden Geräusch brach der Arm in Höhe des Ellbogens ab.
Die Waffe landete auf dem Boden. Die Knochenhand hielt noch immer den Griff fest. Kurz danach knirschte es wieder. Da hatte es dann die gesamte Gestalt erwischt. Der Verbund aus Knochen konnte das Gewicht nicht mehr halten. Das Skelett war einfach zu schwer geworden. So brach es vor meinen Füßen zusammen. Es gab nur noch einen Haufen Gebeine.
Und ich wurde Zeuge, wie auch die anderen Skelette vergingen. Von den Geistern und auch von Baphomets böser Macht verlassen, war ihnen der Boden für ihre Existenz unter den Füßen weggezogen worden.
Ich brauchte nichts zu tun. Ich musste mich nur auf meinen Talisman verlassen, und ich hörte von der Seite her die raue Stimme des
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