1186 - Der Henker vom Hamburg Dungeon
mir.
»Ja, ich höre dich.«
»Gut. Wer bist du?«
»Der Henker von Hamburg. Ich habe während des Feuersturms gelebt. Das ist meine Zeit gewesen.«
»Das liegt so lange zurück. Du hättest längst tot sein müssen. Wie alle anderen.«
»Man ließ mich nicht gehen.«
»Wer war es? Der Teufel?«
»Ja, der Satan!« Die Stimme klang plötzlich triumphierend, was mir zeigte, dass der Henker noch immer auf die Hölle baute. »Er hat meinen Körper vermodern lassen oder ihn in sein Reich gezogen, das weiß ich nicht genau. Doch er, der eigentliche und wahre Helfer der Welt, hat noch etwas anderes getan. Er hat sich meiner Seele angenommen und sie zu einem Körper geformt. Zusammen mit dem Gegenstand, der mich weite Teile meines Lebens begleitet hatte.«
Er musste mir nicht sagen, was er damit meinte. Es war sein verdammtes Beil.
»Und jetzt mache ich weiter!«, versprach er mir mit Flüsterstimme, die von allen Seiten an meine Ohren zu dringen schien. »Der Henker von Hamburg ist wieder zurück. Es hat lange genug gedauert, fast zu lange, doch nun habe ich endlich einen Platz gefunden, an dem ich mich wohl fühlen kann.«
»Du willst weitermachen, nicht?«
»Ja, denn du bist der nächste.«
»Es wird dir nicht gelingen!«
Obwohl ihm die Antwort nicht gefallen konnte, begann er zu lachen. Ich ließ ihn nicht aus dem Blick und sah plötzlich, wie seine Waffe zuckte.
Sie bewegte sich nach vorn.
Das Ziel war ich, aber er holte doch lieber aus und zog die Waffe zurück.
Auf diesen Augenblick hatte ich gewartet. Es war kein Problem, das Kreuz aus der Tasche zu holen.
Aus dem Handgelenk warf ich es genau auf den Schatten zu, bevor der mit seinem mörderischen Beil zuschlagen konnte…
***
Wilde stoppte seinen Sprung. Er war trotzdem nicht zufrieden, denn auf den glatten Holzbohlen rutschte er mit dem rechten Fuß weg und dann zur Seite.
Sein Glück, denn so wäre er womöglich in den Stich hineingelaufen. Märtens Hand hatte kurz gezuckt. Dann war sie wieder zurück in die alte Position gefahren, und einen Moment später fing er an zu kichern. Er freute sich auf den Kampf und stieß sich vom Tisch ab.
In seiner Kleidung und mit dem Zylinder auf dem Kopf wirkte er wie eine makabre Comic-Figur, bei der man nicht wusste, ob man vor ihr Angst haben oder sie auslachen sollte.
Rico Wilde war alles andere als zum Lachen zu Mute. Er kämpfte hier oben um sein Leben.
Glücklicherweise war er nicht gefallen. Er hatte sich noch abstützen können. Er war zwar etwas schwerfällig, aber er schaffte es trotzdem, wieder auf die Beine zu kommen.
Erneut standen sie sich gegenüber.
Der Fahrstuhlführer lächelte wieder. Er verließ sich voll und ganz auf seine Kraft und auch auf seine verdammte Waffe. »Sie will Blut sehen«, flüsterte er Rico zu. »Dein Blut…«
»Du bist wahnsinnig.«
»Ich gehe nur meinen Weg!«
Ein schnelle Bewegung mit der rechten Hand. Die Schere blinkte für einen Moment auf, als wollte sie eine Botschaft verbreiten. Und die bedeutete Angriff.
Rico hatte sich gedanklich darauf eingestellt und daran gedacht, was er wohl unternehmen würde.
Er hatte Filme gesehen, in denen die Helden sich stets so locker und gekonnt bewegt hatten, um den Angriffen zu entgehen. Das Gleiche musste er auch versuchen, und das ohne Übung.
Märtens griff an.
In seinen Augen schillerte die reine Lust am Töten.
Dann der Stich!
Das Vorschnellen der rechten Hand und damit auch der Schere. Das Ziel war der Magen des Mannes, in das sich das Metall tief hineinwühlen sollte.
Wie Rico es geschafft hatte, dem Stoß auszuweichen, konnte er selbst nicht sagen. Vielleicht war Märtens auch zu langsam gewesen, jedenfalls erwischte ihn die Schere nicht so, wie es sich Märtens gedacht hatte.
Sie rammte an Rico vorbei und in das Holz der Theke unter dem Handlauf.
Rico hörte ein dumpfes Geräusch. Er nahm auch den enttäuschten Schrei wahr, den Märtens ausstieß. Durch die Wucht des Aufpralls geriet er aus dem Gleichgewicht, und er verlor auch seinen Zylinder.
Rico Wilde handelte wie ein programmierter Automat.
Er hielt plötzlich die noch zur Hälfte gefüllte Whiskyflasche in der Hand und holte damit aus.
Dann schlug er zu.
Märtens befand sich noch immer in der leicht gebückten Haltung. Er wollte die Schere aus dem weichen Holz ziehen und schaffte es auch, doch er konnte sie nicht mehr als Waffe einsetzen.
Die Flasche war schneller.
Sie traf mit ungeheurer Wucht den Schädel und auch den Nacken des
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