119 - Der Diamantendolch
den Unga gehört hatte, war zweifellos mit dem Telugu verwandt. Der Cro Magnon bekam nicht mehr mit, ob er verstanden worden war oder nicht. Seine Kräfte verließen ihn endgültig; sein Bewußtsein schwand.
Auf den knorrigen Wanderstab gestützt, kippte Unga langsam um und fiel in den Schlamm neben dem schmalen Pfad.
Später erfuhr Unga, daß ihm sein Umfallen das Leben gerettet hatte. Ein Dutzend Pfeilspitzen hatten bereits auf seine Brust gezeigt.
Der Cro Magnon erwachte in einer dämmrigen Hütte mit starken Kopfschmerzen. Eine alte Frau hockte an seinem Mattenlager. Sie hatte einen Punkt auf der Stirn, der anzeigte, daß sie zu einer niedrigen Kaste gehörte. Die Frau wiegte den Oberkörper hin und her und summte vor sich hin. Als sie sah, daß Unga wach war, ging sie und kam wenig später mit einem alten Mann zurück, der nur einen Dhoti und einen schmutzigen Turban trug. In seinem Dialekt sagte er Unga, daß er der Dorf älteste wäre und Ranil heißen würde. Wenn er langsam sprach, verstand ihn Unga.
Der Cro Magnon sah nun, daß seine Sachen und Waffen in der Ecke der Hütte lagen. Die Dorfbewohner wußten nicht, was sie mit ihm anfangen sollten. Sie hielten es für unmöglich, daß er der Lehensmann eines mächtigen Fürsten war, und so wagten sie es nicht, ihm die Hilfe zu verweigern oder ihn auszuplündern und umzubringen. Vielleicht halfen sie ihm auch, weil sie fromme Hindus waren und ein Werk der Barmherzigkeit vollbringen wollten. Unga wußte es nicht und ergründete es nie genau.
Er fühlte den nächsten Fieberanfall herannahen und hatte schon Schwierigkeiten mit dem Denken. Trotzdem war er listig und erzählte dem Dorfältesten Ranil keineswegs, daß er nur ein wandernder Abenteurer war, nach dem kein Hahn krähen würde. Er sagte vielmehr, er wäre der Lehensmann eines mächtigen Fürsten und mit einem Sonderauftrag zum Rajah von Ajanta gesandt. Unga wußte nicht genau, wo er sich befand. Aber nach seiner Schätzung mußte er die Grenzen des Fürstentums Ajanta bereits überschritten haben.
Der Dorf älteste wurde ganz aufgeregt.
„Du bist also einer von den Helden, nach denen Fürst Akbar gesandt hat, damit er den Dämon tötet, dessen Name man nicht nennen darf?" fragte er in seinem schwer verständlichen Dialekt.
„Ich habe einen Sonderauftrag", sagte Unga vorsichtig. Der Schüttelfrost begann schon wieder, und er zog die Decke über sich und hüllte sich darin ein. „Sobald ich meine Krankheit überwunden habe, werde ich ihn durchführen."
Der Dorf älteste musterte ihn skeptisch. „Ich weiß, welche Krankheit du hast, Fremder mit der gelben Haut. Ihre Hitze dörrt das Mark in den Knochen, und ihre Kälte läßt das Herz gefrieren. Die Krankheit dauert mindestens einen Mond und kann jahrelang wiederkommen. Sie ist ein Fluch der Götter, gegen den es kein Mittel gibt. Wie lange hast du die Krankheit schon?"
„Anderthalb Monde", sagte Unga und übertrieb dabei um drei Wochen. „Wenn du mich in deinem Dorf pflegen läßt, bis ich wieder zu Kräften gekommen bin, soll der Smaragd in meinem Schild dir gehören, Ranil."
„Ich werde dich nach Ajanta bringen lassen", sagte der Dorfälteste. „Der Rajah erwartet dringend die Helden, nach denen er gesandt hat. Bisher ist noch keiner von ihnen eingetroffen und bald schon soll Rajahs Akbars Tochter Sita dem Dämon geopfert werden."
„Tu, was du nicht lassen kannst, Ranil", sagte Unga und klapperte mit den Zähnen. „Wenn ich dem Fürsten Akbar helfen kann, werde ich es tun."
„Wie ist dein Name, Held?" fragte der Dorfälteste. „Und wer ist dein Fürst oder König?"
Aber Unga antwortete nicht mehr. Für ihn gab es nur noch die Krankheit und die Schwäche, die er bekämpfen mußte.
Der Dorfälteste verließ die Hütte, als er sah, daß er von dem Fieberkranken nichts erfahren konnte. Im Dorf gab es eine alte Sänfte, die für besondere Gelegenheiten benutzt wurde. Der Dorfälteste gab ein paar Männern den Auftrag, den fremden Helden nach Ajanta zu bringen.
Die Bezeichnung „Held" hatte nicht viel zu bedeuten. Jeder, der einmal bei einem Scharmützel ein oder zwei Leute totgeschlagen oder einen altersschwachen Tiger abgestochen hatte, nannte sich so.
Der Held war so groß wie sein Mundwerk, solange keiner kam, der ihn in seine Schranken weisen konnte.
Unga wurde noch am gleichen Abend - er hatte über zwölf Stunden geschlafen - aus dem Dorf gebracht.
Rajah Akbars Palast war groß und prunkvoll. Dieselben Künstler, die in
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