119 - Der Diamantendolch
viel zu stark für ihn, und so kleine, die für ihn in Frage gekommen wären, gab es nicht. Tabakfasern zu zerkleinern und sich selber Miniaturzigaretten zu drehen, war Don zu umständlich. Unga setzte sich in den Korbstuhl, der unter seinem Gewicht ächzte. Reena und Don Chapman nahmen auf dem Bett Platz, dessen Moskitonetz zurückgeschlagen war.
Der Festzug kam nun am Haus vorbei und machte einen infernalischen Lärm. Die wechselnden Farben des Feuerwerks leuchteten durch die beiden Fenster des Eckzimmers mit der einfachen Einrichtung.
Aber bald schlug die Geschichte des Cro Magnon Don Chapman und die schöne Inderin Reena in ihren Bann, und sie vergaßen den Lärm und achteten nicht mehr auf das Licht. Unga trank hin wieder einen Schluck von dem recht guten indischen Bier, das erfrischend schmeckte und nicht besonders stark war. Es war üblich, eine Limonen- oder Zitronenscheibe im Glas schwimmen zu lassen. Vor Ungas geistigem Auge zogen die Ereignisse noch einmal vorüber, die damals in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts nach der Zeitenwende stattgefunden hatten. Er sah sich durch das Hochland von Dekan wandern, von der Malaria geschüttelt und am Ende seiner Kräfte. Zeitweise hatte Unga damals geglaubt, es wäre vorbei mit ihm. Aber irgendwie hatte er es dann doch bis ins Maharashtra-Gebiet geschafft. In diesem Gebiet, das unter der Oberhoheit des Rashtrakuta-Herrscher stand, lagen die Städte Ellora und Ajanta - die Hauptstädte zwar tributpflichtiger, aber ansonsten selbständiger Kleinfürstentümer oder -reiche.
Der Wasserguß prasselte vom Himmel und durchnäßte den Cro Magnon vollkommen. Es goß wie aus Kübeln. Die fallenden Tropfen ließen rasch entstandene Wasserpfützen auf spritzen. Tiere, Vögel und Insekten hatten sich in einen trockenen Unterschlupf geflüchtet.
Unga war von dem nachmittäglichen Regenguß der Regenzeit im Freien auf der schutzlosen Ebene überrascht worden. Das Wasser tropfte vom Helm und hatte seinen lohgelben Umhang längst durchnäßt. Ungas Zähne klapperten aufeinander. Die Malaria tropica schüttelte ihn. Alle achtundvierzig Stunden hatte Unga hohes Fieber, das mit Schüttelfrösten abwechselte und einen ganzen Tag andauerte. Dann war er für eine Weile fieberfrei, bevor ihn der nächste Anfall ereilte.
Der Cro Magnon war so schwach, daß er kaum noch Schwert und Schild tragen konnte. Er hatte starke Schmerzen im Leib. Seine Gesichtsfarbe war wegen der angegriffenen Leber stark, gelblich gefärbt, und er konnte kaum Nahrung zu sich nehmen.
Unga mußte sehen, daß er zu einem Dorf in eine Stadt kam, wo man ihn pflegte. Das heimtückische Wechselfieber hatte ihn an der Küste erwischt und war dann im Hochland voll zum Ausbruch gekommen.
Zuerst hatte der Cro Magnon geglaubt, seine eiserne Natur würde es überwinden und war weitergezogen. Er wollte Hermon finden, den ehemaligen König von Ys und Begründer der Weißen Magie. Irgendwo in Indien sollte er sich auf halten.
Aber Ungas Zustand verschlimmerte sich mehr und mehr. Als der Regenschauer aufhörte, begann der abgemagerte Körper des Cro Magnon im Fieber zu glühen. Unga taumelte zu einem Bach. Am liebsten hätte er sich hineingestürzt, um die Glut zu löschen. Doch er trank nur von dem Wasser und erbrach das meiste wieder.
Er schleppte sich weiter. Irgendwann ging das Fieber zurück. Der Schweiß drang Unga aus allen Poren. Seine Knie zitterten vor Schwäche. Er wußte, wenn er nicht bald eine menschliche Ansiedlung fand, war er verloren.
Unga hatte nun wieder den Bergdschungel erreicht. Er war viel zu schwach, um sich gegen einen Tiger oder ein anderes Raubtier nachhaltig wehren zu können. Die Dämmerung brach herein, und rasch folgte ihr die Nacht.
Nach dem Regenguß war es kühl. Stechmücken peinigten den Cro Magnon, große, langbeinige Biester, deren Sirren scheußlich in sein umnebeltes Gehirn drang.
Dann kam Unga auf eine große Lichtung und sah Lichter und hörte Hundegebell. Er gelangte an ein großes Tor in einem Ring von Bambuspalisaden. Eine Stimme rief ihn in einem Dialekt, den Unga nicht genau verstand, an. Angst klang aus der Stimme, das merkte Unga sogar in seinem geschwächten Zustand.
Die Stimme redete etwas von einem Dämonen. Der Cro Magnon begriff. Er wurde für einen Nachtdämonen gehalten, und der Wächter rief Männer zu Hilfe.
„Ich bin kein Nachtdämon!" rief Unga in Telugu, einem der beiden Hauptdialekte, die er sprach.
„Ich bin ein kranker Wanderer."
Der Dialekt,
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