1190 - Die stählerne Spinne
zu haben.
Drunten flackerten die ersten Schüsse auf. Die Netzparias verstanden nicht nur wenig von der Instandhaltung ihrer Maschinen, sie hatten überdies offenbar nur geringen Respekt für alles, was mit Technik zu tun hatte. In der Nähe explodierten zwei Aggregate und sandten glühende Bruchstücke in einem wilden Funkenregen nach unten. Die Angreifer hatten die Übersicht verlopen. Seit ihre Opfer in Deckung gegangen waren, wußten sie nicht mehr, wo sie sie zu suchen hatten. „Wir sind geliefert, wenn wir keine Hilfe bekommen", knirschte Clifton Callamon. „Hilfe?" fragte Leo Dürk verwundert. „Von wem?"
„Denk an die Dekadenz, an die echten Gharwos. Sie sind hinter den Parias her wie der Teufel hinter der armen Seele. Nach meiner Ansicht befinden sie sich in der Nähe."
Leo erinnerte sich, daß Callamon ihn auf etwas hatte aufmerksam machen wollen, als Praak sein tollkühnes und hoffnungsloses Manöver begann. „Woher willst du das wissen?" fragte er hastig. „Ich brachte ein zweites Bildgerät in Gang. Es muß an einen Taster angeschlossen sein. Ich sah einen Reflex, der sich dem Mittelpunkt der Bildfläche näherte. Praak erklärte uns, daß Orter- und Tastergeräte im Reich der Gharwos nicht die übliche Reichweite besitzen. Ich dachte mir..."
Das ist der einzige Ausweg, fuhr es Leo Dürk durch den Sinn. Er erinnerte sich an das Hyperfunk-Steuerpult, das er gesehen hatte, kurz bevor ihm Glifton Callamon das verwirrende Bild des Gharwo-Netzes zeigte. Er schob sich über den glatten Boden. Das Feuer von unten wurde stärker. Wenn die Parias auch nicht wußten, wo sich ihre Opfer verkrochen hatten, so würden ihre wahllosen Schüsse doch über kurz oder lang ins Ziel treffen. Er hatte bislang den Individualschirm noch nicht aktiviert. Die energetische Hülle würde ihn bei seinem Vorhaben behindern. In sicherer Deckung manövrierte er sich an das Pult heran. „Was hast du vor?" wollte Clifton Callamon wissen.
Leo Dürk antwortete nicht. In Lagen wie dieser hielt man sich nicht mit langen Erklärungen auf. Um das Pult zu bedienen, mußte er sich aufrichten. Er klammerte sich an der Kante des Pulttisches fest und zog sich vorsichtig in die Höhe. „Es wäre nützlich", ächzte er, „wenn du mir ein wenig Feuerschutz gäbest."
Der Admiral stellte keine Fragen mehr. Er schob sich in eine Ganglükke, von der aus er einen Teil des Hallenbodens überblicken konnte. Leo Dürk hörte seinen Paralysator singen.
Er stand jetzt vollends aufgerichtet, und die Schalttafel des Pults lag vor ihm. Daß er in aufrechter Stellung mit dem Kopf voran nach unten zum Boden der Halle hin zeigte, störte ihn nicht. Das Gravo-Pak unterhielt ein künstliches Schwerefeld, das ihm die Hallenwand als waagrechten Untergrund erscheinen ließ. Er wußte nicht, wie die fremde Apparatur zu bedienen war. Er hieb wahllos auf die Tasten, sah hier und da eine Kontrolleuchte aufflammen und schrie, so daß es der Außenlautsprecher des Helmes laut und deutlich übertrug: „Zwei Fremde in der Gewalt der Netzparias! Arnemar Lenx - wir brauchen deine Hilfe!"
Es flammte vor ihm auf. Eine Wolke aus gelbweißer Glut schoß in die Höhe. Er verlor den Halt und stürzte mit dem vollen Gewicht seines Körpers zwischen zwei Aggregateblöcke. „Der Teufel soll dich holen!" hörte er Clifton Callamon fluchen. „Solch gute Schützen können wir nicht gebrauchen, zumindest nicht auf der Gegenseite."
Der Paralysator sang. Unweit der Senderkonsole gellte ein spitzer, schmerzerfüllter Schrei durch den Lärm. Leo Dürk kam unbeholfen wieder auf die Beine. Aus der Konsole quoll schwerer, blauer Qualm. Das Gerät war nicht mehr zu verwenden. Die nahe Explosion hatte es außer Betrieb gesetzt. „Schirm an!" schrie Callamon. Leo tastete nach der Schaltleiste am linken Oberarm. Erleichterung erfüllte ihn, als er das fahle, flimmernde Wallen der energetischen Schicht bemerkte, die ihn einhüllte. Seine Reaktion kam keine Sekunde zu früh.
Eine Stichflamme schoß auf ihn zu. Der krachende Donner einer schweren Explosion rollte über ihn hinweg. Durch den Lärm hindurch hörte er wie aus weiter Ferne Clifton Callamons Stimme: „Wir setzen uns ab!" In der großen Halle loderten Dutzende von Bränden. Als Nahkämpfer stellten sich die Netzparias nicht sonderlich geschickt an. Selbst wenn es ihnen gelänge, die beiden fremden Eindringlinge zu vernichten oder ihrer habhaft zu werden, hätten sie den Sieg mit dem Verlust des letzten Restes ihrer
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