1193 - Das Templerkind
auch nur von einer Person gesprochen.«
»Brauche ich irgendwelche Papiere?«
»Nein, auf keinen Fall. Wie gesagt, man will alles unter dem Deckel halten und so wenig Öffentlichkeit wie möglich haben. Wenn es dann sein muss, wie in diesem Fall, sind Anwälte die besten Vertreter dieser Außenwelt.«
Ich nickte, obwohl Bloch es nicht sehen konnte. Dann sagte ich: »Du hast mich mal wieder überredet. Ich werde versuchen, die erste Fähre nach Le Havre zu bekommen.«
»Danke, John.«
»Ach, hör auf. Bedanken kannst du dich später, wenn die Kleine bei dir ist.«
»Du wirst es schon schaffen.«
Ich musste lächeln, fragte, aber noch mal nach: »Näheres über diese andere Gefahr kannst du mir wirklich nicht sagen, Abbé?«
»Leider nichts Konkretes.«
»Okay, bis dann.«
Ich legte das Gerät wieder auf die Station und ging in die Küche, um mir etwas zu trinken zu holen.
Saft und Wasser mischte ich, trank in langsamen Schlucken und schaute zu Boden, wobei mich die abendliche Stille umfing.
So war das Leben.
Auf der einen Seite hatte ich gedacht, mir einen ruhigen Abend machen zu können, aber auf der anderen schlug das Schicksal mal wieder zu und bewies mir, dass ich mit dem Job verheiratet war.
Gut, ich hätte auch ablehnen können, aber dann hätte ich ein schlechtes Gewissen gehabt. Bloch war kein Mensch, der aus reinem Spaß störte. Wenn er anrief, steckte immer etwas dahinter. Das kannte ich aus der Vergangenheit. Und daran würde sich auch in Zukunft nichts ändern. Er besaß den Würfel, und der hatte eigentlich nie gelogen oder eine falsche Spur aufgezeigt.
Es traf immer alles so plötzlich zusammen. Ein offizieller Auftrag war es nicht. Trotzdem wollte ich nicht spurlos aus London verschwinden; zumindest musste Suko Bescheid wissen.
Er und Shao hatten noch nicht geschlafen, als ich nebenan anrief. Suko war natürlich überrascht, und er fragte, ob ich auch tatsächlich zugestimmt hatte.
»Ja, warum nicht?«
»Ich meine ja nur so.«
»Hättest du es nicht getan?«
»Doch, bei Bloch schon. Mir gefällt nur nicht, dass du alleine fahren willst.«
»Ideal ist es nicht. Das gebe ich zu. Unter diesen Umständen jedoch optimal.«
»Aber du meldest dich?«
»Bestimmt.«
»Was ist mit Sir James?«
»Den kannst du informieren.«
Suko verdrehte die Augen. Das zumindest stellte ich mir vor. Er stimmte zu und erkundigte sich noch nach meinem Gefühl.
»Gemischt«, sagte ich. »Mal sehen, was diese Clarissa Mignon für ein Kind ist.«
»Das eines Templers.«
»So sagte man, Suko. Aber wenn ich ehrlich sein soll, ich bin mir da nicht ganz sicher. Ich habe das Gefühl, dass ich noch einige Überraschungen erleben werde…«
***
Clarissa stand jetzt zwischen Bett und Fenster und wagte nicht, sich vom Fleck zu rühren. Im Zimmer war auf den ersten Blick alles gleich geblieben. Dennoch hatte sie den starken Eindruck, dass eine Veränderung eingetreten war.
Es lag an der Temperatur. Es war kälter geworden, aber diese Kälte drang nicht von draußen durch die Mauern, sie war von innen gekommen und hatte das gesamte Zimmer erfasst, obwohl es keine natürliche Quelle der Kälte gab.
Das Mädchen bewegte nur seine Augen. Clarissa schaute überall hin. Sie wollte etwas sehen, entdecken und herausfinden, wo sich diese unnatürliche Kältequelle befand, aber sie bekam nichts zu Gesicht. Nur die tiefen, abstoßenden Schatten lauerten dicht an der Tür, als wollten sie dort zwei Eingänge in die Hölle bilden, wo es kein Licht und keine Freundlichkeit gab.
Allerdings hatten sich die Schatten verändert und Formen angenommen. Clarissa hätte davon nicht zurückweichen müssen, denn die Formen waren ihr bekannt. Menschliche Umrisse. Als hätte sie zwei Besucher bekommen, die einfach nur vorhanden waren und in die Dunkelheit des Zimmers schauten.
Aber womit?
Sie sah keine Augen. Es standen einfach nur die flachen Schatten dort, die nichts taten. Keine Bewegung, kein Atmen, nur zwei unheimliche Beobachter.
Keine Bewegung. Kein Geräusch. Kein Hüsteln, einfach gar nichts durchdrang die Stille.
Sie sprachen auch nicht. Sie nahmen überhaupt keinen Kontakt auf. So stellte sich die Frage, ob sie überhaupt zu den Menschen zählten. Das konnte Clarissa nicht so recht glauben. Sie dachte wieder an die Engel und auch daran, dass sie deren Besuch erwartet hatte.
Nach einer Weile lächelte sie und hoffte, dass die beiden Besucher dies auch in der Dunkelheit würden sehen können.
Wenn sie es gesehen hatten,
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