12 – Das Raetsel von Chail
viel dazugelernt, seit sich die Solaner von den Terranern getrennt hatten.
Unwillkürlich musste der Arkonide an das Logbuch der SOL denken. Irgendwann, so hoffte er, würde er genug Muße haben, es durchzulesen. Dann würde er erfahren, was mit diesem Schiff und seinen Bewohnern geschehen, und wie es zu den jetzt herrschenden Zuständen gekommen war.
Atlan schob diese Gedanken beiseite und zwang sich zur Ruhe. Binnen weniger Minuten war er wieder eingeschlafen, und diesmal schlief er tief und traumlos, bis Bjo Breiskoll ihn weckte.
Bjo erstattete Bericht, und Atlan ließ ihn gewähren. Mit keiner Silbe verriet er, dass er bereits informiert war. Schließlich zog sich der Katzer zurück und rollte sich zusammen, wie es seine Art war. Der Unsterbliche setzte sich mit gekreuzten Beinen neben einen der aufragenden Teilstämme, legte den Paralysator griffbereit vor sich hin und konzentrierte sich auf die Geräusche, die an sein Ohr drangen.
Hoch über ihm raschelten Blätter und Zweige im Wind. Eines der mausartigen Tiere turnte an einem Stamm herum, und die Rinde knisterte unter seinen Füßen. Ein Nachtfalter huschte fast lautlos vorbei. Ein kaum hörbares Zwitschern und flüchtige Schatten bewiesen, dass es auch auf Chail Wesen gab, die den irdischen Fledermäusen nicht unähnlich waren. Ein dicker Falter, weich und pelzig, ließ sich mitten im Flug fallen, als die Ortungsimpulse der nächtlichen Jäger ihn trafen. Er plumpste dem Arkoniden direkt vor die Füße. Eines der mausartigen Wesen war plötzlich zur Stelle, sprang furchtlos nach vorn, packte das Insekt und machte sich mit ihm davon. Weit entfernt schrie ein Tier in Todesangst. Der Schrei war kurz – was immer es getötet hatte, verstand sein Geschäft. Leises Tappen drang durch die Nacht, ein Schnüffeln und Schmatzen, das einem weniger erfahrenen Beobachter eine Gänsehaut nach der anderen über den Rücken gejagt hätte.
Atlan wusste, dass nur wenige Tiere sich ein so auffälliges Verhalten erlauben durften, Tiere, die keine natürlichen Fressfeinde hatten, und selbst nicht auf Beute angewiesen waren.
Das Tappen, Schnüffeln und Schmatzen näherte sich gemächlich. Die Kreatur, die die Geräusche verursachte, legte offenbar immer wieder Pausen ein. Schließlich war sie dem eigentlichen Stamm des Baums sehr nahe. Atlan zog seine Lampe hervor und leuchtete hinab. Er sah ein ovales, in Marschrichtung spitz zulaufendes Tier, kaum drei Handbreit lang. Das Tier verharrte im Lichtstrahl, dann zog es plötzlich die Nase ein und fuhr glänzende Stacheln aus.
Atlan zog sich lächelnd zurück. Nach kaum einer Minute setzten die Geräusche wieder ein – der chailidische Igel setzte seine Nahrungssuche fort. Atlan wusste, dass Tiere dieser Art sehr wachsam und geräuschempfindlich waren – solange das Tappen, Schnüffeln und Schmatzen anhielt, trieb sich gewiss keine andere, gefährlichere Kreatur in der Gegend herum.
Der von dem »Igel« verursachte Lärm hielt noch geraume Zeit an, dann trat erneut eine Pause ein. Als das Schnüffeln und Schmatzen wieder aufklang, sah Atlan unwillkürlich zum Himmel hinauf.
Die Blätter und Zweige zeichneten sich über ihm wie komplizierte Scherenschnitte vor dem allmählich grau werdenden Himmel ab. Er horchte mit halbem Ohr auf die Geräusche des Waldes. Der »Igel« rumorte zwischen den Pflanzen. Irgendwo stritten sich zwei Tiere keckernd und fauchend. Ein Vogel begann zu singen, und seine Konkurrenten fielen nach und nach lauthals ein.
Die paralysierte Chailidin bewegte kaum merklich die Zehen. Atlan inspizierte seinen Raumanzug und fand ihn einigermaßen vollständig bestückt.
»Ich will euch nichts tun«, flüsterte er der Frau zu. »Aber das Erwachen aus dieser Lähmung ist recht schmerzhaft. Ich möchte euch diese Schmerzen ersparen.«
Der Translator übersetzte getreulich. Atlan legte die Medopflaster aus seinem Vorrat auf die bloße Haut an den Oberarmen der beiden Chailiden. Sie entspannten sich binnen weniger Minuten.
»Tief durchatmen«, fuhr Atlan flüsternd fort. »Ich weiß, dass alles ein Missverständnis war. Ihr wolltet uns nichts tun. Ihr wolltet uns nur auf die Probe stellen. Wir werden friedlich miteinander auskommen. Einer meiner Begleiter hat die Nerven verloren – aber er hat euch nicht umgebracht, sondern nur betäubt. Ich bin sehr froh darüber. So, und jetzt tut genau das, was ich euch sage, damit mein Heilmittel wirken kann. Konzentriert euch darauf, jeden Muskel ganz locker zu
Weitere Kostenlose Bücher