12 - Im Auge des Tigers
der Öse in der Nähe der Mündung herabhing, und den Abzug drückte.
Das Resultat fiel zur allgemeinen Zufriedenheit aus. Die MAC-10 belferten, wie es sich gehörte. Dabei ruckten sie nach oben rechts, wie es für fast alle Waffen dieser Art typisch war. Mustafa schoss zum ersten Mal damit, und glücklicherweise war es nur eine Übung. Es gelang ihm, seine Projektile in einen Karton zu lenken, der sich etwa sechs Meter links vor ihm befand. In null Komma nichts klickte der Schlagbolzen auf die leere Kammer. 30 Reming-ton-Pistolenpatronen Kaliber 9 mm waren verschossen und die Hülsen ausgeworfen. Mustafa spielte mit dem Gedanken, das Magazin herauszunehmen und umzudrehen, um sich weitere zwei oder drei Sekunden Ballerei zu gönnen, doch er beherrschte sich. Dazu würde er noch genug Gelegenheit haben, und zwar in nicht allzu ferner Zukunft.
»Die Dämpfer?«, fragte er Juan.
»Im Haus. Man schraubt sie auf die Mündung. Es ist ganz ratsam, sie anzubringen – damit haben Sie besser unter Kontrolle, wohin die Kugeln fliegen.« Juan wusste, wovon er sprach. Er hatte das MAC-10 selbst in den vergangenen Jahren hin und wieder dazu benutzt, in Dallas und Santa Fe Konkurrenten und andere unliebsame Personen auszuschalten. Dennoch betrachtete er seine Besucher mit eini-gem Unbehagen. Sie grinsten ihm zu viel. Sie waren nicht 252
wie er, befand Juan Sandoval im Stillen, und je eher sie wieder ihrer Wege gingen, desto besser. Für die Leute am Bestimmungsort dieser Burschen würde es allerdings nicht besser sein, doch das war nicht sein Problem. Seine Befehle kamen von weit oben. Von sehr weit oben, wie sein Vorgesetzter ihm in der vergangenen Woche klargemacht hatte.
Entsprechend hoch war auch die Bezahlung. Juan hatte bezüglich dieser Männer keinen konkreten Grund zur Klage, aber da er über einige Menschenkenntnis verfügte, blinkte in seinem Kopf eine rote Warnleuchte auf.
Mustafa folgte ihm wieder ins Haus und nahm einen der Dämpfer in die Hand. Er maß etwa zehn Zentimeter im Durchmesser und rund einen halben Meter in der Länge.
Wie angekündigt, ließ er sich an die Mündung anschrauben und verbesserte insgesamt die Balance der Waffe.
Mustafa hob sie probeweise an und entschied, dass er sie lieber so benutzen würde. Die Mündung ruckte auf diese Weise nicht ganz so stark nach oben, sodass man etwas genauer zielen konnte. Die Schalldämpfung war für ihre Mission eher bedeutungslos, die Zielgenauigkeit hingegen durchaus nicht. Allerdings machte der Dämpfer die Waffe, die sonst leicht zu verbergen war, übermäßig sperrig. Darum schraubte Mustafa ihn vorerst wieder ab und steckte ihn in die Hülle zurück. Dann ging er hinaus, um seine Leute zu versammeln. Juan begleitete ihn.
»Ein paar Dinge sollten Sie noch wissen«, wandte sich Ju-an an die Anführer der vier Teams. Mit gesenkter Stimme fuhr er fort: »Die Polizei in Amerika ist effizient, aber nicht allmächtig. Wenn Sie unterwegs von einem Polizisten angehalten werden, müssen Sie nur höflich bleiben. Wenn er Sie auffordert, aus dem Wagen zu steigen, tun Sie, was er sagt. Er ist laut Gesetz berechtigt festzustellen, ob Sie eine Waffe bei sich tragen – Sie abzutasten –, aber wenn er Sie fragt, ob er Ihr Auto durchsuchen darf, sagen Sie einfach:
›Nein, das möchte ich nicht‹. Dann darf er laut Gesetz Ihr Auto nicht durchsuchen. Ich wiederhole: Wenn ein ameri-253
kanischer Polizist Ihr Auto durchsuchen will, brauchen Sie nur nein zu sagen, dann hat er kein Recht dazu. Anschlie-
ßend fahren Sie weiter. Halten Sie sich immer an die Geschwindigkeitsbegrenzung, die auf den Schildern angegeben ist. Wenn Sie das tun, werden Sie wahrscheinlich in keiner Weise behelligt. Wenn Sie das zulässige Tempo ü-
berschreiten, geben Sie damit nur der Polizei einen Grund, Sie anzuhalten. Also, tun Sie das nicht! Und verlieren Sie niemals die Beherrschung. Haben Sie Fragen?«
»Was ist, wenn ein Polizist aggressiv wird – können wir dann…«
Juan hatte mit dieser Frage gerechnet. »Einen Polizisten töten? Theoretisch schon, aber damit rufen Sie nur noch mehr Polizisten auf den Plan. Wenn ein Polizist Sie anhält, gibt er als Erstes über Funk seine Position, Ihr Kennzeichen und eine Beschreibung Ihres Fahrzeugs an seine Dienststelle durch. Das heißt, wenn Sie ihn umbringen, haben Sie binnen Minuten seine Kollegen auf dem Hals. Und zwar scharenweise. Das ist die Befriedigung, einen Polizisten umgelegt zu haben, nicht wert. Sie bringen sich nur
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