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12 - Im Auge des Tigers

12 - Im Auge des Tigers

Titel: 12 - Im Auge des Tigers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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Papier für verdammt wenig harte Fakten.«
    In der nachrichtendienstlichen Analyse erreichte man allzu schnell den Punkt, an dem die Spekulation einsetzte und selbst erfahrene Analytiker begannen, die vorhandenen Informationen mit einer diffusen Angst zu betrachten, was Gott weiß wohin führen konnte. Sie versuchten die Gedanken von Personen zu lesen, die nicht viel redeten, nicht mal untereinander. Ob da draußen Leute rumliefen, die Milz-brand- oder Pockenerreger in kleinen Fläschchen beim Ra-293

    sierzeug mit sich herumtrugen? Wie zum Teufel konnte man das wissen? So etwas hatte es in Amerika bereits gegeben. Aber bei Licht betrachtet, hatte es in Amerika so ziemlich alles bereits gegeben. Einerseits besaß das Land dadurch nun die Gewissheit, dass seine Bevölkerung nahezu jeden Schlag verkraften konnte, andererseits war der Bevölkerung dadurch aber auch bewusst geworden, welche furchtbaren Dinge tatsächlich in ihrem Land geschehen konnten und dass die Verantwortlichen nicht immer ausfindig zu machen waren. Der neue Präsident gaukelte niemandem vor, man sei uneingeschränkt in der Lage, diese Leute zu stoppen oder zur Rechenschaft zu ziehen. Das war an und für sich schon ein kapitales Problem.
    »Wissen Sie was – wir sind Opfer unseres eigenen Erfolgs«, stellte der ehemalige Senator sachlich fest. »Mit jedem Staat, der uns jemals ans Bein gepisst hat, sind wir fertig geworden, aber diese unsichtbaren Bastarde, die sich einbilden, Gottes Werk zu tun, sind schwerer zu identifizieren und zu verfolgen. Gott ist allgegenwärtig. Und seine pervertierten Handlanger sind es ebenfalls.«
    »Gerry, alter Knabe, wenn das so einfach wäre, säßen wir jetzt nicht hier.«
    »Danke, Tom – wenigstens auf Ihre moralische Unterstützung kann ich jederzeit zählen.«
    »Wir leben nun mal in einer unvollkommenen Welt. Es fällt nicht immer genug Regen, dass der Mais wächst – und wenn es regnet, dann manchmal so stark, dass die Flüsse über die Ufer treten. Das hat mein Vater mir beigebracht.«
    »Was ich Sie immer schon fragen wollte: Wie zum Teufel hat es Ihre Familie eigentlich ins verdammte Nebraska verschlagen?«
    »Mein Urgroßvater war Soldat – bei der 9th Cavalry, schwarzes Regiment. Danach hatte er keine Lust, nach Georgia zurückzukehren. Er war einige Zeit lang in Fort Crook bei Omaha stationiert gewesen, und dem Trottel machte der Winter nichts aus. Also hat er sich bei Seneca 294

    ein Stück Land gekauft und fortan Mais angebaut. Und so begann die Geschichte der Familie Davis.«
    »War in Nebraska nicht auch der Ku-Klux-Klan aktiv?«
    »Nein, die haben sich auf Indiana beschränkt. In der Gegend gibt es überwiegend kleinere Farmen. Mein Urgroßvater hat damals selbst einen Büffel geschossen. Der Kopf hängt zu Hause über dem Kamin – der größte Schädel, den man sich nur vorstellen kann. Und das verdammte Ding stinkt noch heute. Dad und mein Bruder jagen hauptsächlich Gabelböcke – ›Rennziegen‹, wie sie die Viecher zu Hause nennen. Ich hab mich mit dem Geschmack nie an-freunden können.«
    »Was sagt Ihr Riecher zu diesen neuen Informationen, Tom?«, fragte Hendley.
    »Ich hab nicht vor, so bald nach New York zu fahren, mein Lieber.«
    Östlich von Knoxville teilte sich die Straße. Die I-40 führte nach Osten, die I-81 nach Nordosten. Der gemietete Ford nahm Letztere. Sie führte durch die Berge, die einst Daniel Boone erkundet hatte, als die Westgrenze Amerikas noch fast in Sichtweite des Atlantik verlief. An einer Ausfahrt stand eine Hinweistafel zu dem Haus eines gewissen Davy Crockett, wer immer das sein mochte. Abdullah fuhr bergab über eine hübsche Passstraße. Bei einem Ort namens Bristol erreichte er endlich den letzten Bundesstaat auf ihrer Reiseroute: Virginia. Noch etwa sechs Stunden, überschlug Abdullah. Die Sonne schien auf die üppig grüne Landschaft. Zu beiden Seiten der Straße waren Pferde- und Rin-derfarmen zu sehen. Sogar hier standen Kirchen, meist weiß getünchte Holzgebäude mit einem Kreuz auf der Turmspit-ze. Christen. Es war nicht zu übersehen, dass sie das Land beherrschten. Ungläubige. Feinde. Zielpersonen.
    Sie hatten ihre Maschinenpistolen im Kofferraum – damit würden sie es ihnen zeigen. Aber zunächst ging es noch über die I-81 nördlich bis zur I-64. Sie hatten sich die Route 295

    schon seit langem eingeprägt. Die anderen drei Teams waren mit Sicherheit bereits an ihren Bestimmungsorten angekommen – Des Moines, Colorado Springs und

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