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12 - Im Auge des Tigers

12 - Im Auge des Tigers

Titel: 12 - Im Auge des Tigers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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mich gesehen, sein Messer genommen und ist auf mich losgegangen – da habe ich meine Pistole gezogen und den Bastard erschossen. Mit drei Schüssen, glaube ich.«
    »Mhm.« Turner ging zu dem Toten hinüber. Der Mann hatte nicht besonders stark geblutet. Alle drei Geschosse waren direkt ins Herz eingedrungen, sodass es beinahe augenblicklich zu pumpen aufgehört hatte.
    Paul Turner, ein Mann, der beinahe in jeder Jagdsaison eigenhändig einen Hirsch erlegte, war nicht annähernd so beschränkt, wie es einem Bundesagenten erscheinen mochte. Er betrachtete die Leiche, wandte sich dann zu der Tür um, von der aus Caruso die Schüsse abgefeuert hatte, und schätzte Winkel und Entfernung ab.
    »So, Sie sind also über das Tischchen gestolpert«, wiederholte der Sheriff. »Der Verdächtige bemerkt Sie, greift nach seinem Messer, Sie fürchten um Ihr Leben, ziehen Ihre Dienstwaffe und geben rasch nacheinander drei Schüsse ab
    – ist das richtig?«
    »Genau, so hat es sich abgespielt.«
    »Mhm«, machte Turner erneut.
    Der Sheriff griff in seine rechte Hosentasche und zog seine Schlüsselkette hervor, ein Geschenk von seinem Vater, 31

    der Schlafwagenschaffner bei der alten Illinois Central Railway gewesen war. An der altmodischen Kette war ein Silberdollar von 1948 angelötet. Die Münze hatte einen Durchmesser von fast vier Zentimetern. Als Turner sie über die Brust des Kidnappers hielt, deckte sie alle drei Ein-trittswunden ab. Die Augen des Sheriffs nahmen einen höchst skeptischen Ausdruck an, doch dann wanderte sein Blick in Richtung Badezimmer und wurde plötzlich milde.
    Schließlich sprach der Sheriff sein Urteil über den Vorfall aus.
    »Dann werden wir es so zu Protokoll nehmen. Gut gezielt, mein Junge!«
    Ein geschlagenes Dutzend Polizei- und FBI-Fahrzeuge erschienen binnen ebenso vieler Minuten am Schauplatz des Geschehens. Bald darauf traf auch das mobile Labor vom Alabama Department of Public Safety zur Spurensicherung am Tatort ein. Ein Fotograf von der Gerichtsmedizin ver-knipste 23 Rollen 400er-Spezialfarbfilm. Das Messer wurde in einem Plastikbeutel verpackt, um es später im Labor auf Fingerabdrücke zu untersuchen und das Blut daran mit dem des Opfers zu vergleichen – im Grunde lauter überflüssige Formalitäten, aber die Ermittlungsvorschriften für Mordfälle waren nun einmal besonders streng. Schließlich wurde der Körper des kleinen Mädchens in einen Leichen-sack gebettet und abtransportiert. Die Eltern würden die Kleine identifizieren müssen – Gott sei Dank war wenigstens ihr Gesicht verhältnismäßig unversehrt geblieben.
    Einer der Letzten, die am Tatort eintrafen, war Ben Harding, der Chef der FBI-Einsatzzentrale in Birmingham.
    Wenn ein Agent von der Schusswaffe Gebrauch machte, musste Harding einen formellen Bericht verfassen. Der landete dann auf dem Schreibtisch des FBI-Direktors Dan Murray, mit dem Ben locker befreundet war. Als Harding ankam, vergewisserte er sich zunächst, dass Caruso phy-sisch und psychisch in einigermaßen passabler Verfassung 32

    War. Dann begrüßte er Paul Turner und hörte sich an, was dieser zu dem Tathergang zu sagen hatte. Caruso sah aus einiger Entfernung zu, wie Turner seine Schilderung des Vorfalls mit Gesten untermalte und Harding dazu nickte.
    Gut, dass die Aktion den offiziellen Segen des Sheriffs hatte! Ein Captain von den State Troopers, der den Bericht mit anhörte, nickte ebenfalls.
    Dominic Caruso scherte sich im Grunde einen Dreck darum, was diese Leute davon hielten. Er wusste, dass er das Richtige getan hatte – nur leider eine Stunde zu spät.
    Schließlich wandte sich Harding wieder seinem jungen Agenten zu. »Was denken Sie, Dominic?«
    »Zu spät«, erwiderte Caruso. »Wir waren verdammt noch mal nicht schnell genug – ja, ich weiß, es macht keinen Sinn, sich über so etwas aufzuregen.«
    Harding packte ihn an den Schultern und schüttelte ihn.
    »Sie hätten es nicht besser machen können, Junge!« Er schwieg einen Moment lang. »Wie kam es zu der Schießerei?«
    Caruso wiederholte seine Geschichte. Allmählich glaubte er schon beinahe selbst daran. Wahrscheinlich hätte er sogar die reine Wahrheit erzählen können, ohne dass es ihn den Kopf gekostet hätte, das war ihm klar – aber wozu das Risiko eingehen? Es war nun ganz offiziell ein eindeutig legitimer Fall von Schusswaffengebrauch, und damit Schluss – wenigstens was seine Personalakte beim FBI betraf.
    Harding hörte zu und nickte bedächtig. Er musste einige

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