12 - Im Auge des Tigers
213«, sagte Dr.
Gregory. »Ziemlich hoch für einen Mann seines Alters. Keinerlei Spuren irgendwelcher Drogen oder Medikamente, nicht einmal Aspirin. Wir haben zwar enzymatische Indizien für ein Koronarversagen, aber das ist momentan auch schon alles.«
»Tja, dann werden wir wohl seinen Brustkorb öffnen müssen«, bemerkte Dr. Nutter. »Aber das war ja abzusehen.
Trotz des erhöhten Cholesterinspiegels ist er ein bisschen jung für einen Koronarverschluss, finden Sie nicht auch?«
»Müsste ich wetten, Sir, würde ich auf ein verlängertes QT-Intervall tippen, oder eine Arrhythmie.« Beides gleichermaßen tödliche Störungen, die nach dem Tod wenige Indizien hinterließen.
»Sehr gut.« Gregory schien ein aufgeweckter junger Mediziner zu sein und, wie die meisten von dieser Sorte, extrem engagiert. »Dann wollen wir mal«, sagte Nutter und griff nach dem großen Hautmesser. Danach würden sie den Rippenschneider benutzen. Allerdings war der Pathologe sich schon jetzt ziemlich sicher, was sie finden würden. Der arme Teufel war an Herzversagen gestorben, ausgelöst vermutlich durch eine plötzliche – und unerklärliche –
Herzrhythmusstörung. Aber wodurch auch immer sie ausgelöst wurde, sie hatte ihn so sicher getötet wie eine Kugel in den Kopf. »Sonst nichts bei der toxikologischen Untersuchung?«
»Nein, Sir, absolut nichts.« Gregory hielt den Computer-461
ausdruck hoch. Bis auf das Vorgedruckte war die Seite fast leer. Und das sagte eigentlich alles.
Es war, als hörte man sich ein Spiel der World Series im Radio an, nur ohne die anregenden Kommentare. Beim Security Service hatte es jemand sehr eilig gehabt, der CIA mitzuteilen, was der Zielperson zugestoßen war, an der Langley Interesse gezeigt hatte. Deshalb wurde jedes Fitzel-chen eingehender Information unverzüglich an die CIA weitergeleitet, die es wiederum nach Fort Meade schickte, wo man nach Hinweisen aus dem Äther Ausschau hielt, dass der Vorfall in der internationalen Terroristenszene Aufmerksamkeit erregte. Anscheinend funktionierte die Nachrichtenverbreitung in dieser Szene aber nicht so gut, wie ihre Feinde gehofft hatten.
»Hallo Detective Willow«, zwitscherte Rosalie Parker mit ihrem gewohnten Willst-du-mich-vögeln-Lächeln. Dass sie mit Sex ihren Lebensunterhalt verdiente, hatte ihr keineswegs den Geschmack daran verdorben. Sie kam hereinge-rauscht, den Besucherausweis an der Brust, und nahm vor dem Schreibtisch Platz. »Und was kann ich an diesem herr-lichen Tag für Sie tun?«
»Schlechte Nachrichten, Miss Parker.« Bert Willow war förmlich und korrekt, auch zu Nutten. »Ihr Freund Uda bin Sali ist tot.«
»Was ? « Sie riss entgeistert die Augen auf. »Wie ist das passiert?«
»Das wissen wir noch nicht genau. Er ist einfach tot umgefallen, auf der Straße, direkt gegenüber von seinem Büro.
Allem Anschein nach hatte er einen Herzinfarkt.«
»Im Ernst?« Rosalie war überrascht. »Er machte aber einen kerngesunden Eindruck! Es gab nicht das Geringste, was darauf hingedeutet hätte, dass er krank sein könnte.
Immerhin habe ich erst gestern Nacht mit ihm…«
462
»Ja, das habe ich in der Akte gelesen«, unterbrach Willow.
»Wissen Sie, ob er mal Drogen genommen hat?«
»Nein, nie. Er trank gelegentlich was, aber nie viel.«
Sie machte einen schockierten und sehr überraschten Eindruck auf Willow, aber in ihren Augen war nicht der Schimmer einer Träne. Nein, bin Sali war ein Kunde für sie gewesen, eine Einkommensquelle, mehr nicht. Der arme Teufel hatte das wahrscheinlich anders gesehen. Doppeltes Pech für ihn. Aber das brauchte Willow eigentlich nicht weiter zu interessieren.
»Irgendetwas Ungewöhnliches bei Ihrer letzten Begegnung?«, fragte der Polizist.
»Nein, eigentlich nicht. Er war ganz schön scharf, wie immer. Wissen Sie, vor ein paar Jahren ist mal ein Freier auf mir gestorben – kam und ging, wie es so schön heißt. Das war wirklich grässlich, etwas, was man nicht so schnell vergisst, und deshalb achte ich bei meinen Kunden auf so was. Ich meine, ich würde niemals jemanden einfach so sterben lassen. Ich bin kein Unmensch, wissen Sie. Ich habe sehr wohl ein Herz«, versicherte sie dem Polizisten.
Dein Freund bin Sali nicht mehr, dachte Willow, ohne es auszusprechen. »Verstehe. Dann war er also gestern Abend ganz wie immer?«
»Völlig. Nicht das geringste Anzeichen, dass ihm irgendwas gefehlt hätte.« Sie hielt inne, um an ihrer Fassung zu arbeiten. Sie musste noch betroffener
Weitere Kostenlose Bücher