12 - Im Auge des Tigers
Was sie ohne unser Wissen damit anfangen, ist nicht unser Bier.«
»Aye, aye, Sir.« Nach einem derart ereignisreichen Morgen konnte der Rest des Tages nur langweilig werden.
Mohammed erhielt die Nachricht über seinen Computer –
oder genauer: Er wurde in einer verschlüsselten Botschaft aufgefordert, einen Mittelsmann namens Ayman Ghailani anzurufen, dessen Handynummer er auswendig kannte. Zu diesem Zweck unternahm er einen Spaziergang. Mit Hotel-telefonen musste man vorsichtig sein. Er ging in einen Park und setzte sich mit Stift und Block auf eine Bank.
»Ayman, hier ist Mohammed. Was gibt’s Neues?«
»Uda ist tot«, meldete der Mittelsmann etwas atemlos.
»Was ist passiert?«, fragte Mohammed.
»Das wissen wir nicht. Er ist nicht weit von seinem Büro auf der Straße zusammengebrochen. Man hat ihn noch ins nächste Krankenhaus gebracht, aber dort konnten sie nichts mehr für ihn tun.«
»Er wurde nicht verhaftet? Nicht von den Juden umgebracht?«
»Nein, uns wurde nichts dergleichen berichtet.«
»Es war also ein natürlicher Tod?«
»Nach unserem derzeitigen Kenntnisstand, ja.«
Ob er das Geld noch überwiesen hat, bevor er aus dem Leben geschieden ist?, fragte sich Mohammed. »Ich verstehe…« Das war zwar durchaus nicht der Fall, aber er musste die Stille mit ein paar Worten füllen. »Demnach besteht also kein Anlass zu der Annahme, dass etwas nicht mit rechten Dingen zuging?«
»Im Moment nicht. Aber man fragt sich das natürlich immer, wenn einer von unseren Leuten stirbt.«
»Ja, sicher, Ayman. Man ist immer argwöhnisch. Weiß es sein Vater schon?«
»Von ihm habe ich es erfahren.«
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Sein Vater ist vermutlich froh, den Prasser los zu sein, dachte Mohammed. »Haben wir jemanden, der sich nach der genauen Todesursache erkundigen kann?«
»Ahmed Mohammed Hamed Ali lebt in London. Vielleicht durch einen Anwalt…?«
»Gute Idee. Veranlasse das bitte.« Eine Pause. »Hat jemand dem Emir Bescheid gesagt?«
»Nein, ich glaube nicht.«
»Veranlasse auch das.« Es war eine Lappalie, aber dennoch sollte er über alles Bescheid wissen.
»Mache ich«, versprach Ayman.
»Gut. Das wäre dann alles.« Damit unterbrach Mohammed per Tastendruck die Verbindung.
Er war zurzeit wieder in Wien. Er mochte die Stadt. Wenn man Geld hatte, konnte man hier wirklich gut leben. Vorzügliche Restaurants, dessen Personal noch was von echtem Service verstand. Und wenn ihm mal danach war, sich wie ein echter Tourist zu fühlen – was öfter vorkam, als man erwartet hätte –, gab es in der ehemaligen Kaiserstadt auch kulturhistorisch einiges zu sehen. Mohammed war aufgefallen, dass ihm die besten Gedanken oft kamen, wenn er sich mit etwas beschäftigte, das nichts mit seiner Arbeit zu tun hatte. Heute könnte er eigentlich mal in ein Kunstmuseum gehen. Das Pirschen würde er vorerst Ayman überlassen. Ein Londoner Anwalt würde nach Informationen über die Hintergründe von Udas Tod schnüffeln und sie, seine Auftraggeber, als braver Söldner auf alle Unregelmä-
ßigkeiten aufmerksam machen. Aber manchmal starben Menschen auch einfach so. Das lag in Allahs Hand, und dessen Wege waren unbegreiflich und niemals vorhersehbar.
Vielleicht ja doch nicht so langweilig. Nach der Mittagspause kam wieder einiges neue Material von der NSA rein. Jack übte sich in Kopfrechnen und gelangte zu der Einsicht, dass es auf der anderen Seite des großen Teichs Abend war. Die 467
Elektronikfuzzies der Carabinieri – der italienischen Bundespolizei, die in ziemlich abgedrehten Uniformen herum-marschierte – hatten mehrere Nachrichten abgefangen und an die amerikanische Botschaft in Rom weitergeleitet, die sie umgehend via Satellit nach Fort Belvoir schickte, dem wichtigsten Downlink an der Ostküste. Ein gewisser Mohammed hatte einen gewissen Ayman angerufen. Sie wussten das, weil ein Gespräch aufgezeichnet worden war, in dem auch Uda bin Salis Tod angesprochen wurde, was auf mehreren Computern ein elektronisches ›Bing‹ ausgelöst hatte. Das wiederum alarmierte einen Funkverkehr-Analytiker und den zuständigen Botschaftsheini, die die Sache via Satellit weiterleiten ließen. ›Hat jemand dem Emir Bescheid gesagt?‹
»Wer zum Teufel ist der Emir?«, fragte Jack.
»Das ist ein Adelsprädikat wie Herzog oder so was«, antwortete Wills. »In welchem Kontext ist davon die Re-de?«
»Hier.« Jack reichte ihm den Ausdruck.
»Das ist ja interessant.« Wills wandte sich ab und befragte seinen Computer nach
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