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12 - Im Auge des Tigers

12 - Im Auge des Tigers

Titel: 12 - Im Auge des Tigers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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Nähe gesehen.
    »Ist das nicht…?«
    »Yep. Atefs Kumpel aus München. Wetten, er ist unser Mann?«
    »Da musst du mit jemand anderem wetten, Bruderherz.«
    Dominic katalogisierte das Ziel: Deutlich orientalischer Typ, mittelgroß – ungefähr einsfünfundsiehzig –, schmal gebaut, zirka 70 Kilo, schwarze Haare, braune Augen, leicht semitische Nase, gut und teuer gekleidet, wie ein Geschäftsmann, zielstrebiger, selbstbewusster Gang. Sie näherten sich ihm bis auf etwa drei Meter, wobei sie trotz ihrer Sonnenbrillen darauf achteten, ihn nicht anzustarren. Haben wir dich, du Drecksack. Wer diese Leute auch immer waren – sie verstanden rein gar nichts von Tarnung. Die Zwillinge gingen bis zur nächsten Ecke.
    »Das war aber einfach«, bemerkte Brian. »Und was jetzt?«
    »Jetzt warten wir erst mal ab, bis Jack mit der Zentrale Rücksprache gehalten hat, Aldo.«
    »Roger.« Unwillkürlich fasste Brian sich ans Jackett, um sich zu vergewissern, dass der goldene Stift noch an seinem Platz war, etwa so, wie er bei einem Einsatz in Uniform nach seiner M9-Beretta-Automatik im Halfter getastet hätte.
    Er fühlte sich wie ein unsichtbarer Löwe in einer keniani-schen Savanne voller Gnus. Viel besser konnte es kaum laufen. Er pirschte sich ganz dicht an das Tier heran, das er töten und fressen wollte, und das arme Vieh hatte nicht die leiseste Ahnung, dass er ihm auflauerte. Genau so, wie sie es selbst machen. Er fragte sich, ob die Gesinnungsgenossen dieses Kerls die Ironie darin erkennen würden, wenn ihre eigene Taktik gegen sie angewandt wurde. So vorzugehen war zwar alles andere als typisch amerikanisch, aber der Gerechtigkeit halber musste auch gesagt werden, dass he-roische Showdowns auf offener Straße um zwölf Uhr mittags nur eine Erfindung von Hollywood-Regisseuren wa-538

    ren. Ein Löwe hatte kein Interesse daran, sein Leben aufs Spiel zu setzen. In der Basic School war Brian eingeschärft worden: Wenn man sich in einem fairen Kampf wiederfand, dann war die Sache schlecht geplant. Fairer Wettkampf war etwas für die Olympischen Spiele, aber das hier war etwas anderes. Kein Großwildjäger schwang ein Schwert und machte eine Menge Lärm, wenn er sich einem Löwen nä-
    herte. Vielmehr tat er das einzig Vernünftige: Er ging hinter einem Baumstamm in Deckung und erledigte sein Wild aus 200 Meter Entfernung mit einem Gewehr. Selbst die Massai in Kenia, bei denen das Erlegen eines Löwen zum männlichen Initiationsritual gehörte, jagten wohlweislich in Gruppen zu mindestens zehn Mann. Und diese Gruppen bestanden keineswegs ausschließlich aus Jugendlichen – schließ-
    lich wollte man sichergehen, dass es der Löwe war, der am Ende tot in den Kral heimgebracht wurde. Es ging hier nicht um Tapferkeit. Hier zählte einzig und allein das Ergebnis. Dieser Job war an sich schon riskant genug, folglich galt es, jedes unnötige Risiko zu vermeiden. Das war Geschäft, kein Sport. »Erledigen wir ihn hier auf der Straße?«
    »Hat bisher doch noch immer funktioniert. Ich glaube icht, dass wir ihn in der Hotelbar umlegen können.«
    »Okay, Enzo. Und wie soll es jetzt weitergehen?«
    »Ich würde sagen, wir spielen ein bisschen Touristen. Die Oper macht mordsmäßig was her. Sehen wir sie uns mal an… Auf dem Plakat steht, sie spielen Wagners Walküre. Da war ich noch nie drin.«
    »Ich war überhaupt noch nie in der Oper. Schätze, das sollte ich irgendwann mal nachholen – das ist Teil der italienischen Seele, nicht?«
    »Und ob. Ich habe ungemein viel Seele – allerdings stehe ich mehr auf Verdi.«
    »Verdammich! Wann warst du denn schon mal in der Oper?«
    »Ich habe ein paar auf CD«, antwortete Dominic grinsend.
    Die Staatsoper entpuppte sich als ein in Gold und Purpur 539

    erstrahlendes architektonisches Prunkstück, das aussah, als sei es für Gott persönlich erbaut worden. Man mochte ja über das Haus Habsburg denken, was man wollte, aber sein Kunstgeschmack war über jeden Zweifel erhaben. Dominic überlegte kurz, ob sie die Kirchen der Stadt besichtigen sollten, fand das aber in Hinblick auf den Zweck ihres Aufenthalts nicht gerade passend. Nachdem sie sich etwa zwei Stunden lang in der Stadt umgesehen hatten, kehrten sie ins Hotel zurück und suchten Jack in seinem Zimmer auf.
    »Nichts Neues von der Heimatfront«, berichtete Jack.
    »Das macht nichts«, antwortete Brian. »Wir haben den Kerl gesehen. Er ist ein alter Bekannter aus München.« Sie gingen ins Bad und drehten sämtliche Wasserhähne auf,

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