12 - Im Auge des Tigers
es sowieso nichts bringt.«
»Und hoffen auf ein Wunder«, ergänzte Granger zustimmend.
Natürlich würde die Polizei in ganz Amerika in Alarmbereitschaft versetzt – aber was damit erreicht werden sollte und wie die Bedrohung überhaupt aussah, wusste niemand. Ohnehin achteten die Cops bereits ständig auf Leute, die aussahen, als kämen sie aus Nahost, hielten ihre Autos an und stellten Fragen. Das Ganze verlief in aller Regel ergebnislos und war längst zur langweiligen Pflichtübung verkommen, weshalb die Bürgerrechtler von der American Civil Liberties Union bereits Zeter und Mordio schrien. Bei 212
verschiedenen Bezirksgerichten waren mittlerweile insgesamt sechs Klagen von Personen anhängig, die sich erdreis-tet hatten, sich mit arabischem Äußerem ans Steuer zu setzen. Vier davon waren Ärzte, zwei nachweislich unschuldige Studenten, mit denen die Polizei vor Ort etwas zu rüde umgesprungen war. Sollten diese Vorfälle eine Gesetzesänderung nach sich ziehen, so würde garantiert mehr Schaden als Nutzen daraus entstehen. Es war, wie Sam Granger so treffend bemerkt hatte, eine Zwickmühle.
Hendleys Miene verfinsterte sich noch mehr. Ähnlich finstere Mienen gab es zweifellos in einem halben Dutzend Regierungsbehörden, die mitsamt ihrer finanziellen und personellen Ausstattung ungefähr so nützlich waren wie Titten an einem Keiler. »Können wir da was unternehmen?«, fragte er.
»Die Augen offen halten und die Cops rufen, wenn wir etwas Auffälliges bemerken«, antwortete Granger. »Es sei denn, Sie haben eine Pistole zur Hand.«
»Um irgendeinen harmlosen Komiker abzuknallen, der wahrscheinlich gerade für den Einbürgerungstest lernt«, fügte Bell hinzu. »Nicht der Mühe wert.«
Ich hätte Senator bleiben sollen, dachte Hendley. Teil des Problems zu sein, brachte immerhin eine gewisse Befriedigung mit sich. Wenn man ab und zu etwas Galle verspritz-te, lief sie einem nicht so leicht über. Aber hier herumzuze-tern wäre völlig kontraproduktiv und zudem für die Moral seiner Leute nicht gerade förderlich.
»Okay, tun wir also so, als wären wir ganz normale Bürger«, sagte der Boss schließlich. Die leitenden Mitarbeiter nickten zustimmend, und man ging zum Tagesgeschäft über. Gegen Ende des Arbeitstages erkundigte sich Hendley bei Rounds, wie sich der neue Junge machte.
»Er ist nicht auf den Kopf gefallen, stellt eine Menge Fragen. Ich lasse ihn Leute überprüfen, die wir wegen verdächtiger Geldtransfers unter die Lupe nehmen.«
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»Respekt, wenn er das durchhält«, schaltete sich Bell ein.
»So was kann einen zum Wahnsinn treiben.«
»Geduld ist eine Tugend«, bemerkte Gerry. »Nur sie zu erwerben, ist ein Scheißspiel.«
»Setzen wir alle unsere Leute von dieser abgefangenen Nachricht in Kenntnis?«
»Kann nicht schaden«, erwiderte Bell.
»Wird erledigt«, verkündete Granger.
»Shit«, entfuhr es Jack eine Viertelstunde später. »Was hat das zu bedeuten?«
»Das erfahren wir vielleicht morgen – oder nächste Woche – oder auch nie«, antwortete Wills.
»Fa’ad… der Name kommt mir bekannt vor.« Jack wandte sich wieder seinem Computer zu und rief ein paar Dateien auf. »Ich hab’s! Das ist der Typ in Bahrain. Warum haben die Agenten vor Ort den denn noch nicht in die Mangel genommen?«
»Die wissen bislang nichts von ihm. Bisher hat die NSA ihn im Alleingang beobachtet, aber vielleicht sieht Langley jetzt mal zu, ob ein bisschen mehr über ihn rauszukriegen ist.«
»Sind die in Polizeiarbeit so gut wie das FBI?«
»Ehrlich gesagt, nein. Sie kriegen eine andere Ausbildung.
Aber so furchtbar spezielle Fähigkeiten braucht man dafür ja nicht – «
Ryan jr. fiel ihm ins Wort: »Bullshit! Leuten auf den Zahn zu fühlen ist was für Polizisten. Solche Fähigkeiten muss man erwerben, man muss lernen, wie man Fragen stellt.«
»Wer sagt das?«, fragte Wills.
»Mike Brennan. Er war mein Leibwächter. Hat mir eine Menge beigebracht.«
»Auch ein guter Geheimdienstler muss in der Lage sein, Leute zu durchschauen. Wenn nicht, kann ihn das den Kopf kosten.«
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»Mag sein, aber wenn Sie was an den Augen haben, gehen Sie zu meiner Mom.«
»Okay, von mir aus. Und jetzt sehen Sie zu, dass Sie was über unseren Freund Fa’ad rauskriegen.«
Jack wandte sich wieder seinem Computer zu. Er scrollte hoch bis zu dem ersten interessanten Gespräch, das sie belauscht hatten. Dann besann er sich eines Besseren und sprang ganz an den Anfang, als man zum ersten Mal
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