12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem
aufmerksam.
„Nein“, lautete dann der Bescheid.
„Wenn Araber einen Löwen töten, so hat die Haut sehr viele Löcher. Ich habe ihm zwei Kugeln gegeben. Seht her! Die erste Kugel war zu hoch gezielt, weil er zu entfernt von mir war und ich in der Finsternis nicht ganz genau zu zielen vermochte. Sie hat die Kopfhaut gestreift und das Ohr verletzt. Hier seht ihr es. Die zweite Kugel gab ich ihm, als er zwei oder drei Schritte von mir war; sie ist ihm in das linke Auge gedrungen. Ihr seht dies hier, wo das Fell versengt ist.“
„Allah akbar, es ist wahr! Du hast dieses furchtbare Tier so nahe an dich herankommen lassen, daß dein Pulver seine Haare verbrannte. Wenn es dich nun gefressen hätte?“
„So hätte es so im Buche gestanden. Ich habe diese Haut mitgebracht für dich, o Scheik. Nimm sie von mir an und gebrauche sie als Schmuck deines Zeltes!“
„Ist dies dein Ernst?“ fragte er erfreut.
„Mein Ernst.“
„Ich danke dir, Emir Hadschi Kara Ben Nemsi! Auf diesem Fell werde ich schlafen, und der Mut des Löwen wird in mein Herz einziehen.“
„Es bedarf dieser Haut nicht, um deine Brust mit Mut zu erfüllen, den du übrigens auch bald brauchen wirst.“
„Wirst du mitkämpfen gegen unsere Feinde?“
„Ja. Sie sind Diebe und Räuber und haben auch mir nach dem Leben getrachtet; ich stelle mich unter deinen Befehl, und hier mein Freund wird dasselbe tun.“
„Nein. Du sollst nicht gehorchen, sondern befehlen. Du sollst der Anführer einer Abteilung sein.“
„Davon laß uns später sprechen; für jetzt aber erlaube mir, an eurer Beratung teilzunehmen.“
„Du hast recht; wir müssen uns beraten, denn wir haben nur noch fünf Tage Zeit.“
„Hast du mir nicht gesagt, daß es eines Tages bedürfe, um die Krieger der Haddedihn um dich zu versammeln?“
„So ist es.“
„So würde ich an deiner Stelle heute die Boten aussenden.“
„Warum noch heute?“
„Weil es nicht genug ist, die Krieger beisammen zu haben. Sie müssen auf diesen Kampf eingeübt werden.“
Er lächelte stolz.
„Die Söhne der Haddedihn sind seit ihren Knabenjahren bereits den Kampf gewöhnt. Wir werden unsere Feinde überwinden. Wieviel streitbare Männer hat der Stamm der Abu Mohammed?“
„Neunhundert.“
„Und die Alabeïde?“
„Achthundert.“
„So zählen wir achtundzwanzighundert Mann, dazu kommt die Überraschung, da uns der Feind nicht erwartet; wir müssen siegen!“
„Oder wir werden besiegt!“
„Maschallah, du tötest den Löwen und fürchtest den Araber?“
„Du irrst. Du bist tapfer und mutig; aber der Mut zählt doppelt, wenn er vorsichtig ist. Hältst du es nicht für möglich, daß die Alabeïde und Abu Muhammed zu spät eintreffen?“
„Es ist möglich.“
„Dann stehen wir mit elfhundert gegen dreitausend Mann. Der Feind wird erst uns und dann unsere Freunde vernichten. Wie leicht kann er erfahren, daß wir ihm entgegen ziehen wollen! Dann fällt auch die Überraschung weg. Und was nützt es dir, wenn du kämpfest und den Feind nur zurückschlägst? Wäre ich der Scheik der Haddedihn, ich schlüge ihn so darnieder, daß er auf lange Zeit sich nicht wieder erheben könnte und mir jährlich einen Tribut bezahlen müßte.“
„Wie wolltest du dies beginnen?“
„Ich würde nicht wie die Araber, sondern wie die Franken kämpfen.“
„Wie kämpfen diese?“
Jetzt erhob ich mich, um eine Rede zu halten, eine Rede über europäische Kriegskunst, ich, der Laie im Kriegswesen. Aber ich mußte mich ja für diesen braven Stamm der Haddedihn interessieren. Ich hielt es keineswegs für eine Versündigung an dem Leben meiner Mitmenschen, wenn ich mich hier beteiligte; es lag vielmehr wohl in meiner Hand, die Grausamkeiten zu mildern, welche bei diesen halbwilden Leuten ein Sieg stets mit sich bringt. Ich beschrieb also zunächst ihre eigene Fechtart und schilderte die Nachteile derselben; dann begann ich die eigentliche Auseinandersetzung. Sie hörten mir aufmerksam zu, und als ich geendet hatte, bemerkte ich den Eindruck meiner Worte an dem langen Schweigen, welches nun folgte. Der Scheik ergriff zuerst wieder das Wort:
„Deine Rede ist gut und wahr; sie könnte uns den Sieg bringen und vielen der Unserigen das Leben erhalten, wenn wir Zeit hätten, uns einzuüben.“
„Wir haben Zeit.“
„Sagtest du nicht, daß es lange Jahre erfordere, ein solches Heer fertig zu machen?“
„Das sagte ich. Aber wir wollen ja nicht ein Heer bilden, sondern wir wollen bloß die
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