12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem
daher von hier bis nach El Deradsch eine Postenlinie ziehen.“
„Wie meinst du das?“
„In El Deradsch verstecken sich zwei unserer Krieger, von denen du überzeugt bist, daß sie treu sind. Sie lassen sich nicht sehen und beobachten alles. Von El Deradsch bis hierher stellst du in gewissen Entfernungen andere auf; es genügen vier Mann, welche darauf zu achten haben, daß sie mit keinem Fremden zusammenkommen, und uns alles berichten, was die ersten zwei erkunden. Einer trägt die Kunde zum andern und kehrt dann auf seinen Posten zurück.“
„Dieser Plan ist gut; ich werde ihn befolgen.“
„Eine eben solche Linie, nur etwas weitläufiger, stellst du auf zwischen hier und den Weideplätzen der Abu Mohammed. Ich habe das mit ihrem Scheik bereits besprochen. Er wird die Hälfte dieser Linie mit seinen Leuten bilden. Kennst du die Ruine El Farr?“
„Ja.“
„Dort wird sein äußerster Posten zu treffen sein.“
„Wie viele Männer werde ich dazu brauchen?“
„Nur sechs. Die Abu Mohammed stellen ebenso viele. Wie viele Krieger hast du hier im Lager?“
„Es können vierhundert sein.“
„Ich bitte dich, sie zu versammeln. Du mußt noch heute Musterung über sie halten, und wir können unsere Übungen heute noch beginnen.“
Das brachte reges Leben in die Versammlung. Binnen einer halben Stunde waren die vierhundert Mann beisammen. Der Scheik hielt ihnen eine lange, blühende Rede und ließ sie am Ende derselben auf den Bart des Propheten schwören, die Rüstung gegen keinen Unberufenen zu erwähnen; dann befahl er ihnen, sich in Reihe und Glied aufzustellen.
Wir ritten die lange Reihe hinab. Alle waren zu Pferde; ein jeder hatte Messer, Säbel und die lange, befiederte Lanze, welche bei besserer Schulung eine fürchterliche Waffe sein könnte. Viele trugen auch den gefährlichen Nibat (Keule) oder die kurze Wurflanze nebenbei. Die Schießwaffen ließen vieles zu wünschen übrig. Einige Krieger hatten noch den alten Lederschild nebst Köcher, Pfeil und Bogen. Andere besaßen Luntenflinten, die ihren Eigentümern gefährlicher waren, als dem Feinde, und die übrigen hatten Perkussionsgewehre mit überlangen Läufen.
Letztere ließ ich vortreten, die andern aber schickte ich fort, mit der Bemerkung, morgen in aller Früh wiederzukommen. Die Zurückgebliebenen hieß ich absitzen und Proben ihrer Fertigkeit im Schießen abzulegen. Im allgemeinen konnte ich zufrieden sein. Es waren gegen zweihundert Mann. Ich bildete zwei Compagnien aus ihnen und begann meinen Instruktionsunterricht. Dieser war allerdings nicht weit her. Die Leute sollten im Takt marschieren und laufen können und ein Schnellfeuer unterhalten lernen. Sie waren gewohnt, nur zu Pferde anzugreifen und den Feind zu necken, ohne ihm ernstlich stand zu halten; jetzt kam alles darauf an, sie soweit zu bringen, daß sie zu Fuß einen Angriff aushalten lernten, ohne die Fassung zu verlieren.
Am andern Morgen nahm ich die andern vor. Bei ihnen galt es, sie zu einem geschlossenen Angriff mit der Lanze zu befähigen, nachdem sie ihre Gewehre abgeschossen hatten. Ich kann sagen, daß die Leute sehr schnell begriffen und überaus begeistert waren.
Gegen Abend hörten wir, daß die Verbindung mit den Abu Mohammed hergestellt sei, und bekamen zu gleicher Zeit die Nachricht, daß ihr Scheik von meinem Abenteuer bei den Abu Hammed bereits gehört habe. Es ging Antwort zurück, und von diesem Augenblick an wurde ein durch die Posten vermittelter unausgesetzter Verkehr unterhalten.
Schon war es beinahe dunkel, als ich nochmals den Rapphengst bestieg, um einen Schnellritt hinein in die Savanne zu machen. Ich war noch gar nicht weit gelangt, so kamen mir zwei Reiter entgegen. Der eine hatte eine gewöhnliche, mittelmäßige Gestalt, der andere aber war sehr klein von Statur und schien von der Unterhaltung mit seinem Begleiter ganz außerordentlich in Anspruch genommen zu sein, denn er focht mit Arm und Beinen in der Luft, als wolle er Mücken morden.
Ich mußte unwillkürlich an meinen kleinen Halef denken.
Ich galoppierte auf sie zu und parierte vor ihnen mein Pferd.
„Maschallah, Sihdi! Bist du es wirklich?“
Er war es wirklich, der kleine Hadschi Halef Omar!
„Ich bin es. Ich habe dich bereits von weitem erkannt.“
Er sprang vom Pferd herab und faßte mein Gewand, um es vor Freude zu küssen.
„Hamdullillah, Preis sei Gott, daß ich dich wiedersehe, Sihdi! Ich habe mich nach dir gesehnt, wie der Tag nach der Sonne.“
„Wie geht es
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