12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem
Obeïde in die Flucht schlagen, und dazu bedürfte es einer Vorbereitung von nur zwei Tagen. Wenn du heute noch deine Boten aussendest, so sind die Krieger morgen beisammen; ich lehre sie den geschlossenen Angriff zu Pferd, welcher die Feinde über den Haufen werfen wird, und den Kampf mit dem Feuergewehr.“
Ich nahm ein Kamelstöckchen von der Wand und zeichnete auf den Boden.
„Schau hierher! Hier fließt der Tigris; hier ist der Wirbel; hier liegen die Hamrin- und hier die Kanuzaberge. Der Feind trifft hier zusammen. Die beiden ersten Stämme kommen am rechten Ufer des Flusses heraufgezogen, hinter ihnen im stillen unsere Verbündeten, und die Obeïde setzen von dem linken Ufer herüber. Um zu uns zu gelangen, müssen sie zwischen diesen einzelnen Bergen hindurch; diese Wege alle aber führen in das große Tal Deradsch, welches das Tal der Stufen heißt, weil seine steilen Wände wie Stufen emporsteigen. Es hat nur einen Eingang und einen Ausgang. Hier müssen wir sie erwarten. Wir besetzen die Höhen mit Schützen, welche den Feind niederschießen, ohne daß ihnen selbst ein Leid geschehen kann. Den Ausgang verschießen wir mit einer Brustwehr, welche auch von Schützen verteidigt wird, und hier in diesen zwei Seitenschluchten hüben und drüben verbergen sich die Reiter, welche in demselben Augenblick hervorbrechen, wenn der Feind sich vollständig im Tal befindet. Am Eingang wird er dann von unseren Verbündeten im Rücken angegriffen, und sollten diese ja nicht zur rechten Zeit eintreffen, so wird er ihnen auf der Flucht entgegengetrieben.“
„Maschallah, deine Rede ist wie die Rede des Propheten, der die Welt erobert hat. Ich werde deinen Rat befolgen, wenn die anderen hier damit einverstanden sind. Wer dagegen ist, der mag sprechen!“
Es widersprach keiner; darum fuhr der Scheik fort:
„So werde ich gleich jetzt die Boten aussenden.“
„Sei vorsichtig, o Scheik, und laß deinen Kriegern nicht sagen, um was es sich handelt; es wäre sonst sehr leicht möglich, daß der Feind von unserem Vorhaben Nachricht erhält.“
Er nickte zustimmend und entfernte sich. Sir David Lindsay hatte dieser langen Unterredung mit sichtbarer Ungeduld zugehört; jetzt ergriff er die Gelegenheit zum Sprechen:
„Sir, ich bin auch hier!“
„Ich sehe Euch!“
„Wollte auch was hören!“
„Meine Erlebnisse?“
„Yes!“
„Konntet denken, daß ich meinen Vortrag nicht in englischer Sprache halten würde. Sollt aber jetzt das Nötige erfahren.“
Ich teilte ihm in aller Kürze meine Erzählung und dann den Inhalt der darauf folgenden Besprechung mit. Er war wie elektrisiert.
„Ah! Kein wilder Angriff, sondern militärische Körper! Evolution! Choc! Taktik! Strategie! Feind umzingeln! Barrikade! Prächtig! Herrlich! Ich auch mit! Ihr seid General, ich bin Adjutant!“
„Würden uns beide wundervoll ausnehmen in diesen Stellungen! Ein General, der von der Kriegführung so viel versteht, wie das Flußpferd vom Filetstricken, und ein Adjutant, der nicht reden kann! Übrigens wird es für Euch geratener sein, wenn Ihr Euch von der Sache fern haltet.“
„Warum?“
„Wegen des Vicekonsuls in Mossul.“
„Ah! Wie?“
„Man vermutet, daß er hierbei seine Hand im Spiel habe.“
„Mag die Hand wegnehmen! Was geht mich Konsul an? Pah!“
Jetzt kam der Scheik wieder. Er hatte die Boten ausgesandt und brachte allerlei neue Gedanken mit:
„Hat der Scheik der Abu Muhammed gesagt, welchen Teil der Beute er erwartet?“
„Nein.“
„Was fordern die Alabeïden?“
„Ich weiß es nicht.“
„Du hättest fragen sollen!“
„Ich habe nicht gefragt, weil ich als Scheik der Haddedihn nicht nach Beute fragen würde.“
„Maschallah! Wonach sonst? Wer ersetzt mir meinen Schaden?“
„Der besiegte Feind.“
„Also muß ich doch in seine Weideplätze einbrechen und seine Weiber und Kinder nebst seinem Vieh fortführen!“
„Das ist nicht notwendig. Willst du gegen Frauen Krieg führen? Du gibst die Gefangenen, welche wir machen werden, wenn wir glücklich sind, nicht eher frei, als bis du erhalten hast, was du forderst. Ist unser Sieg vollständig, so verlangst du einen jährlichen Tribut und behältst den Scheik oder einige Anverwandte von ihm als Geiseln zurück.“
Es wurde nun über diesen Punkt beraten. Man nahm ihn an.
„Und nun noch das Letzte“, bemerkte ich dann. „Es ist notwendig, daß wir von allen Bewegungen unserer Feinde und unserer Verbündeten Kenntnis erhalten. Wir müssen
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