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12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem

12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem

Titel: 12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Papierklümpchen ans Tageslicht zu fördern. Die Papierfetzen enthielten nur wenige Zeilen in Chiffreschrift, und außerdem schien es ganz unmöglich, die einzelnen Fetzen so zusammenzusetzen, wie sie zusammengehörten. Ich faßte den Griechen scharf ins Auge und fragte ihn:
    „Von wem war dieses Schreiben verfaßt?“
    „Ich weiß es nicht“, antwortete er.
    „Von wem hast du es erhalten?“
    „Ich weiß es nicht.“
    „Lügner, hast du Lust, hier elend liegen zu leiben und zu sterben?“
    Er sah mich erschrocken an, und ich fuhr fort:
    „Wenn du nicht antwortest, so wirst du nicht verbunden, und ich lasse dich hier zurück für die Geier und Schakale!“
    „Ich muß schweigen“, sagte er.
    „So schweige auf ewig!“
    Ich erhob mich. Das wirkte.
    „Frage, Effendi!“ rief er aus.
    „Von wem hast du diesen Brief?“
    „Vom englischen Vizekonsul in Mossul.“
    „An wen war er gerichtet?“
    „An den Konsul zu Bagdad.“
    „Kennst du seinen Inhalt?“
    „Nein.“
    „Lüge nicht!“
    „Ich schwöre, daß ich keinen Buchstaben zu lesen bekam!“
    „Aber du ahnst, was er enthielt?“
    „Ja.“
    „So rede!“
    „Politik!“
    „Natürlich!“
    „Weiter darf ich nichts sagen.“
    „Hast du einen Schwur abgelegt?“
    „Ja.“
    „Hm! Du bist ein Grieche?“
    „Ja.“
    „Woher?“
    „Aus Lemnos.“
    „Ich dachte es! Der echte Türke ist ein ehrlicher, biederer Charakter, und wenn er anders wird oder anders geworden ist, so tragt ihr die Schuld, die ihr euch Christen nennt und doch schlimmer seid als die ärgsten Heiden. Wo in der Türkei eine Gaunerei oder ein Halunkenstreich verübt wird, da hat ein Grieche seine schmutzige Hand im Spiel. Du würdest heute deinen Eid brechen, wenn ich dich zwänge oder dir den Eidbruch bezahlte, Spion! Wie hast du es zum Dragoman in Mossul gebracht? Schweig! Ich ahne es, denn ich weiß, wodurch ihr alles werdet, was ihr seid! Du magst deinem Eid treu bleiben, denn die Politik, von der du sprachst, kenne ich! Warum hetzt ihr diese Stämme gegeneinander auf? Warum stachelt ihr einmal den Türken und das andere Mal den Perser gegen sie auf? Und das tun Christen? Andere, welche die Lehre des Weltheilands wirklich befolgen, bringen die Worte der Liebe und des Erbarmens in dieses Land, und ihr sät Unkraut zwischen den Weizen, daß er erstickt, eure Saat aber tausendfältige Früchte trägt. Fliehe zu deinem Popen; er mag für dich um Vergebung bitten! Du hast auch den Russen gedient?“
    „Ja, Herr.“
    „Wo?“
    „In Stambul.“
    „Wohlan! Ich sehe, daß du wenigstens noch fähig bist, die Wahrheit zu bekennen, und daher will ich dich nicht der Rache der Haddedihn übergeben.“
    „Tue es nicht, Effendi! Meine Seele wird dich dafür segnen!“
    „Behalte deinen Segen! Wie ist dein Name?“
    „Alexander Kolettis.“
    „Du trägst einen berühmten Namen, aber du hast mit demjenigen, der ihn früher trug, nichts gemein. Bill!“
    „Sir!“ antwortete der Gerufene.
    „Kannst du eine Wunde verbinden?“
    „Das nicht, Sir, aber ein Loch verknüpfen, das kann ich wohl.“
    „Knüpfe es ihm zu!“
    Der Grieche wurde von dem Engländer verbunden. Wer weiß, ob ich nicht anders gehandelt hätte, wenn ich damals gewußt hätte, unter welchen Umständen ich diesen Menschen später wiedersehen sollte. Ich wandte mich zu dem gefesselten Scheik:
    „Eslah el Mahem, du bist ein tapferer Mann, und es tut mir leid, einen mutigen Krieger gefesselt zu sehen. Willst du mir versprechen, stets an meiner Seite zu bleiben und keinen Versuch zu machen, zu entfliehen?“
    „Warum?“
    „Dann werde ich dir deine Fesseln abnehmen lassen.“
    „Ich verspreche es!“
    „Bei dem Bart des Propheten?“
    „Bei dem Bart des Propheten und dem meinigen!“
    „Nimm deinen Leuten dasselbe Versprechen ab!“
    „Schwört mir, diesem Mann nicht zu entfliehen!“ gebot er.
    „Wir schwören es!“ ertönte die Antwort.
    „So sollt ihr nicht gebunden werden“, versprach ich ihnen.
    Zugleich löste ich die Bande des Scheik.
    „Sihdi, du bist ein edelmütiger Krieger“, sagte er. „Du hast nur unsere Tiere töten lassen, uns aber verschont. Allah segne dich, obgleich mein Pferd mir lieber als ein Bruder war!“
    Ich sah es seinen edlen Zügen an, daß diesem Mann jeder Verrat, jede Gemeinheit und Treulosigkeit fremd war, und sagte zu ihm:
    „Du hast dich zu diesem Kampf gegen die Angehörigen deines Volkes von fremden Zungen verleiten lassen; sei später stärker! Willst du dein

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