12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem
hervorbrachen.“
„Wo befindet sich der Feind?“
„Gefangen im Wadi. Sie haben alle ihre Waffen abgeben müssen, und keiner kann entkommen, denn das Tal wird von uns eingeschlossen. Ha, jetzt sehe ich Eslah el Mahem! Aber wie, er trägt die Waffen?“
„Ja. Er hat mir versprochen, nicht zu entfliehen. Weißt du, daß man den Tapfern ehren soll?“
„Er wollte uns vernichten!“
„Er wird dafür bestraft werden.“
„Du hast ihm die Waffen gelassen, und so mag es gut sein. Komm!“
Wir eilten dem Kampfplatz zu, und die anderen folgten uns so schnell wie möglich. Auf dem Verbandplatz herrschte reges Leben, und vor demselben bildete eine Anzahl bewaffneter Haddedihn einen Kreis, in dessen Mitte die besiegten und jetzt gefesselten Scheiks saßen. Ich wartete, bis Eslah herbeikam, und fragte ihn schonend:
„Willst du bei mir bleiben?“
Seine Antwort klang, wie ich es erwartet hatte:
„Sie sind meine Verbündeten; ich gehöre zu ihnen.“
Er trat in den Kreis und setzte sich an ihre Seite nieder. Es wurde dabei kein Wort gesprochen, aber man sah es, daß die beiden anderen bei seinem Erscheinen erschraken. Vielleicht hatten sie auf ihn noch einige Hoffnung gesetzt.
„Führe deine Gefangenen in das Wadi!“ sagte Malek.
Ich folgte ihm. Als ich das Tal betrat, bot sich mir ein außerordentlich malerischer Anblick. In die Brustwehr war zur Erleichterung des Verkehrs eine Bresche gerissen; zu beiden Seiten der Talwände hatten sich Wachtposten aufgestellt; die ganze Talsohle wimmelte von gefangenen Menschen und Pferden, und im Hintergrund lagerten diejenigen unserer Verbündeten, welche noch im Wadi Platz gefunden hatten. Dazwischen waren verschiedene Haddedihn beschäftigt, die Pferde der Feinde zu sammeln, um sie hinaus auf die Ebene zu bringen, wo auch die Waffen derselben auf einem einzigen großen Haufen lagen.
„Hast du so etwas bereits gesehen?“ fragte mich Malek.
„Noch größeres“, antwortete ich.
„Ich nicht.“
„Sind die feindlichen Verwundeten gut aufgehoben?“
„Man hat sie verbunden, wie du es gesagt hast.“
„Und was wird nun geschehen?“
„Wir werden heute unsern Sieg feiern und die größte Phantasia veranstalten, die es jemals hier gegeben hat.“
„Nein, das werden wir nicht.“
„Warum?“
„Wollen wir die Feinde durch unser Fest verbittern?“
„Haben sie uns gefragt, ob sie uns mit ihrem Einfall verbittern werden?“
„Haben wir Zeit zu einem solchen Fest?“
„Was sollte uns abhalten?“
„Die Arbeit. Freund und Feind muß gelabt werden.“
„Wir werden Leute beordern, welche dies zu tun haben.“
„Wie lange wollt ihr die Gefangenen bewahren?“
„Bis sie zurückkehren dürfen.“
„Und wann soll dies geschehen?“
„So bald wie möglich; wir hätten nichts zu essen für dieses Heer von Freunden und Feinden.“
„Siehst du, daß ich recht habe? Ein Freudenfest soll gefeiert werden, aber erst dann, wenn wir Zeit dazu haben. Zunächst ist es notwendig, daß sich die Scheiks versammeln, um über alles zu sprechen, was beschlossen werden muß, und dann müssen die Beschlüsse schleunigst ausgeführt werden. Sage den Scheiks, daß sechstausend Menschen nicht viele Tage hier beisammen sein dürfen!“
Er ging. Nun trat Lindsay heran.
„Herrlicher Sieg! Nicht?“ meinte er.
„Sehr!“
„Wie meine Sache gemacht, Sir?“
„Ausgezeichnet!“
„Schön! Hm! Viele Menschen hier.“
„Man sieht es.“
„Ob wohl einige darunter sind, die wissen, wo Ruinen liegen.“
„Möglich; man müßte sich einmal erkundigen.“
„Fragt einmal, Sir!“
„Sobald es möglich ist, ja.“
„Jetzt gleich, sofort!“
„Verzeiht, Sir. Ich habe jetzt keine Zeit. Vielleicht ist meine Anwesenheit bei der Beratung nötig, welche jetzt beginnen wird.“
„Schön! Hm! Aber nachher fragen! Wie?“
„Sicher!“
Ich ließ ihn stehen und schritt zu den Zelten.
Dort fand ich reichliche Arbeit, da vieles an den Verbänden zu verbessern war. Als ich dies besorgt hatte, trat ich in jenes Zelt, in welchem die Scheiks ihre Besprechung hielten. Diese ging sehr lebhaft vor sich. Man konnte sich schon im Prinzip nicht einigen, und ich glaube, daß ich ihnen willkommen kam.
„Du wirst uns Auskunft geben, Hadschi Emir Kara Ben Nemsi“, sagte Malek. „Du bist in allen Ländern der Erde gewesen und weißt, was recht und vorteilhaft ist.“
„Fragt, ich werde antworten!“
„Wem gehören die Waffen der Besiegten?“
„Dem Sieger.“
„Wem ihre
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