12 Stephanie Plum: Kalt erwischt (Twelve Sharp)
Sachen. Ich wollte nie homosexuell sein, aber ich wollte immer schon mal ein Cowboy sein. Wie man sich wohl so fühlt als Homosexueller? Was meinst du? Glaubst du, dass ihre Geschlechtsteile anders aussehen?«
»Jedes Geschlechtsteil sieht anders aus«, klärte ich meine Oma auf.
»Ich habe noch nicht allzu viele gesehen in meinem Leben. Hauptsächlich das von deinem Großvater, und das war kein hübscher Anblick. Ich würde gerne mal andere sehen. Ich würde gerne mal welche von Minderheiten sehen, oder von mir aus blaue. Neulich abends habe ich eine Sendung im Radio gehört, da wurde über blaue Hoden geredet. Fand ich irgendwie hochinteressant. Wahnsinn. Blaue Eier. Würde ich mir gerne mal ansehen.«
Im Hintergrund hörte ich meine Mutter aufstöhnen.
»Momentchen, Liebes«, sagte Grandma Mazur. »Deine Mutter will dich sprechen.«
»Wenn du mit deiner Oma zu der Aufbahrung gehst, wasche ich dir auch deine Wäsche«, sagte meine Mutter. »Wenn du aufpasst, dass sie nichts Schlimmes anstellt, bügele ich sie dir sogar. Und wenn der Sarg geschlossen ist, soll sie ja nicht versuchen, ihn zu öffnen.«
Grandma ist der Meinung, dass man den Trauergästen wenigstens einen Blick auf den Toten gönnen sollte, wenn sie schon die Mühe auf sich nahmen, zu einer Aufbahrung zu kommen. Ich kann ihr Argument nachvollziehen, ein geschlossener Sarg wirkt wie eine Provokation.
»Du verlangst ganz schön viel«, sagte ich zu meiner Mutter.
»Ich fahre sie gerne hin, aber ich kann nicht versprechen, dass es keinen Arger gibt.«
»Bitte«, sagte meine Mutter. »Ich flehe dich an.«
Carmen stand auf unserem Mieterparkplatz, als ich das Haus verließ. Sie stand zwei Plätze hinter meinem Mini, und ihre Fenster waren heruntergekurbelt.
Ich winkte ihr im Vorbeigehen. »Ich hole jetzt meine Oma ab«, sagte ich. »Ich bringe sie zu einer Aufbahrung in der Hamilton. Dann fahre ich wieder nach Hause und halte unterwegs kurz bei Morelli an.«
Carmen antwortete nicht. Sie trug eine verspiegelte Sonnenbrille, nicht das geringste Lächeln zierte ihr Gesicht. Sie fuhr vom Parkplatz herunter, hinter mir her, bis nach Burg, und parkte einen halben Häuserblock weiter, während ich ins Haus ging, um Grandma abzuholen.
Grandma stand schon am Eingang, als ich kam. Ihr graues Haar war in feine Löckchen gelegt, ihr Gesicht geschminkt, die Fingernägel frisch manikürt, passend zum roten Lippenstift. Sie trug ein dunkelblaues Kleid und Lacklederpumps mit niedrigen Absätzen, Grandma war startbereit.
»Ich bin so aufgeregt!«, sagte sie. »Ein neuer Bestattungsunternehmer! Catherine kann von Glück sagen, dass sie die Erste ist. Heute Abend wird es bestimmt gerammelt voll sein.«
Neben meiner Oma stand meine Mutter unten im Hausflur. »Benimm dich bitte, ja?«, ermahnte sie Grandma. »Constantine hatte jahrelange Erfahrung. Er wusste, wie man mit den kleinen und großen Katastrophen umgeht, die passieren können, wenn Menschen auf einem Haufen zusammenkommen. Die beiden jungen Leute sind dagegen noch ganz neu im Geschäft.«
Solange ich denken kann, gehörte das Beerdigungsinstitut Constantine Stiva. Stiva war eine Stütze der Gesellschaft und bevorzugter Bestatter der Verstorbenen von Chambersburg. Wie sich herausstellte, war er ein bisschen gaga und hatte eine Vergangenheit als Mörder. Seine restliche Lebenszeit verbringt er nun in verschärftem Arrest im Gefängnis Rahway.
Gerüchteweise habe ich gehört, Constantine Stiva würde lieber lebenslänglich sitzen, als Grandma Mazur je wieder in seinen Geschäftsräumen begrüßen zu müssen, aber ob das stimmt, weiß ich nicht.
Mein Vater saß im Wohnzimmer und guckte Fernsehen. Kein einziges Mal wendete er den Blick von der Mattscheibe, murmelte nur etwas vor sich hin, das sich anhörte wie »der arme gutgläubige blöde Bestattungsunternehmer«.
Zum Schutz gegen Einbrecher bewahrte mein Vater früher eine alte 45er aus Armeebeständen im Haus auf. Als Grandma Mazur einzog, schaffte meine Mutter die Waffe heimlich beiseite, aus Angst, meinem Vater könnte eines Tages der Geduldsfaden reißen, und er würde Grandma über den Haufen knallen. Ich an ihrer Stelle hätte auch alle scharfen Messer beseitigt. Ich persönlich finde Grandma zum Brüllen, aber ich muss ja auch nicht mit ihr zusammenwohnen.
»Keine Sorge«, beruhigte ich meine Mutter. »Wir sind brav.«
Meine Mutter bekreuzigte sich und biss sich auf die Unterlippe.
Ich fuhr die kurze Strecke zum Beerdigungsinstitut und
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