12 Stephanie Plum: Kalt erwischt (Twelve Sharp)
Limonenmöbelpolitur und nach frisch gebackenen Schokoladenplätzchen. Bei Morelli gibt es keinen spezifischen Geruch, nur wenn es regnet... dann riecht es im ganzen Haus nach dem nassen Hundefell von Bob.
Meine Eltern haben in ihrem Haus drei winzige Schlafzimmer und ein Badezimmer im ersten Stock. Meine Mutter steht in aller Frühe auf und ist die Erste im Badezimmer. Sie ist leise und effizient, sie duscht sich, schminkt sich und macht hinterher sauber. Nach meiner Mutter folgt ein allmorgendlicher Kampf zwischen meiner Oma und meinem Vater. Sie rennen zum Badezimmer, und wer zuerst da ist, boxt sich den Weg frei, knallt die Tür zu und schließt hinter sich ab. Derjenige, der draußenbleibt, fängt an zu schreien.
»Was machst du denn bloß so lange da drin, verdammt noch mal?!«, meckert mein Vater. »Seit Tagen blockierst du das Badezimmer. Ich muss scheissen. Ich muss zur Arbeit. Ich habe keine Zeit, den ganzen Tag vor dem Fernseher zu hocken, so wie du.«
»Drück dir deine Scheiße sonstwo raus!«, kontert meine Oma.
Ich brauche also keine Angst zu haben, dass ich zu Hause bei meinen Eltern mal verschlafen könnte. Toilettenspülungen rauschen, es wird sich angebrüllt, die Hausbewohner stampfen mit den Füßen auf den Boden, und die Treppe hinauf ziehen die morgendlichen Küchenausdünstungen, Kaffee, aufgebackene Brötchen und brutzelnder Schinken in der Pfanne.
Mein Zimmer hat sich kaum verändert, seit ich ausgezogen bin. Als meine Schwester sich nach ihrer Scheidung neu orientieren musste, haben sie und ihre Kinder das Zimmer in Beschlag genommen, aber jetzt bewohnen sie ihr eigenes Heim, und das Zimmer hat wieder seine alte Ordnung. Dieselbe Tagesdecke mit Blumenmuster, dieselben weißen gerafften Rüschenvorhänge, dieselben Bilder an den Wänden, derselbe Chenille-Bademantel im Kleiderschrank und dieselbe kleine Kommode, die ich dagelassen hatte, als ich meine eigene Wohnung bezog. Ich schlafe wie ein Murmeltier in dem Zimmer. Ich fühle mich dort in Sicherheit, auch wenn es gar nicht sicher ist.
Als ich nach unten in die Küche kam, war mein Vater schon weg. Mein Vater ist pensionierter Postbeamter und fährt halbtags Taxi. Er hat ein paar Stammkunden, die morgens zur Arbeit oder zum Bahnhof gebracht werden müssen, aber hauptsächlich sammelt er seine Kumpels ein und karrt sie zu ihrer Kneipe, wo sie Karten spielen. Und dann bleibt er da und spielt auch Karten.
Meine Oma war in der Küche und hörte Musik mit dem iPod meiner Mutter. »Before you break my heart... think it oh oh ver«, sang sie mit geschlossenen Augen, schwenkte ihre dünnen Ärmchen und schlurfte mit ihren weißen Sportschuhen über den Boden.
»Sie hat mir erzählt, sie hätte einen Gig«, sagte meine Mutter. »Was soll denn das jetzt schon wieder bedeuten?«
»Sally hat eine neue Band, und sie treten vor Senioren auf. Er fand, Grandma wäre die ideale Besetzung.«
»Heiliger Strohsack!« Meine Mutter bekreuzigte sich.
Ich goss mir Kaffee ein und tat etwas Milch hinzu. »Vielleicht ist es gar nicht so schlecht. Sie sind immer schon früh fertig, weil alle im Publikum Medikamente bekommen und nach kurzer Zeit einschlafen. Und da keiner aus der Band singen kann, ist Grandma eine gute Ergänzung.«
Meine Mutter beobachtete Grandma, die im Takt herumwirbelte und mit den Armen fuchtelte. »Es sieht lächerlich aus!«
Ich nahm mir eine Zimtschnecke und setzte mich mit meinem Kaffee an den Tisch. »Sie braucht nur ein richtiges Kostüm.«
Grandma hielt kurz inne, während der nächste Song auf dem iPod einsetzte, dann fing sie an, in der Küche herumzuhopsen und auf und ab zu stolzieren. »I can‘t get no satisfaction!«, schrie sie. »No, no, no!«
»Eigentlich sieht sie Mick Jagger sehr ähnlich«, stellte meine Mutter fest.
Rangers Handy klingelte, und ich ging ran. »Ja?«
»Dein spezieller Freund Scrog hat heute Morgen angerufen. Er ist auf dem Anrufbeantworter. Komm her und hör es dir an!«
»Ich wusste, dass es ein Fehler war, sich einen Anrufbeantworter anzuschaffen.«
»Es war ein Fehler, dass du gestern Abend gegangen bist.
Wenn du heute Morgen hier gewesen wärst, hättest du mit Scrog sprechen können.«
»Schreck lass nach! Was hätte ich ihm schon groß sagen können?«
»Wenn du lange genug mit ihm geredet hättest, hätten wir das Gespräch zurückverfolgen können«, sagte Ranger.
»Wird meine Leitung angezapft?«
»Natürlich.«
Ich sah auf die Uhr. Fast neun. »Kann ich erst noch im Büro
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