12 Stephanie Plum: Kalt erwischt (Twelve Sharp)
vorbeifahren?«
»Solange du nur vor zwölf hier bist. Ich möchte, dass du die Ansage auf deinem Anrufbeantworter änderst.«
»Ich muss los, zur Arbeit«, sagte ich zu meiner Mutter.
»Heute ist Donnerstag«, sagte meine Mutter. »Ich weiß, dass du und Joe sonst immer freitags zum Abendessen kommt, aber morgen sind schon Valerie und Albert mit den Kindern da. Könnt ihr beide nicht heute Abend kommen?«
»Mal sehen. Ich muss ihn erst fragen.«
Als ich ins Kautionsbüro kam, fiel mir auf, dass die Tür zum Allerheiligsten seit zwei Wochen zum ersten Mal wieder einen Spalt breit offen stand. Ich warf meine Umhängetasche auf das Sofa und sah Connie fragend an.
»Er ist wieder da«, sagte sie nur.
Ich hörte jemanden in dem hinteren Büro rumoren, das Geräusch, das Ratten machen, wenn sie im Laub wühlen. Vinnie riss die Tür auf und steckte den Kopf hindurch.
»Ha«, sagte er zu mir. »Hast du dich doch noch entschlossen, zur Arbeit zu kommen?«
»Problem damit?«, blaffte ich zurück.
»Ich ertrinke in NVGlern. Was macht ihr eigentlich die ganze Zeit?«
Vinnie ist ein Vetter väterlicherseits, und der Gedanke, dass er dem Genpool der Plums entsprungen ist, ist nicht gerade erhebend. Vinnie ist schlank, ohne Rückgrat, spitze Schuhe, Haar angeklatscht, südländische Hautfarbe. Bei der Vorstellung, er könnte heiraten und sich vermehren, kann es einen gruseln. Trotz seiner Mängel als menschliches Wesen, oder vielleicht gerade deswegen, ist er ein ausgezeichneter Kautionsmakler. Vinnie hat einen guten Riecher für Kroppzeug.
»Du stellst zu viele Kautionen aus«, sagte ich zu ihm.
»Ich bin auf das Geld angewiesen. Lucille will ein neues Haus. Sie meint, unser altes wäre zu klein. Sie will eins mit Heimkino. So ein Blödsinn. Was ist das überhaupt? Ein Heimkino?«
Meri verfolgte die Unterhaltung von ihrem Klapptischchen aus. »Ich könnte doch mal anfangen, Stephanie und Lula zu begleiten«, sagte sie. »Zuerst wäre ich sicher keine große Hilfe, aber später könnte ich welche von den leichteren Fällen übernehmen.«
»Später. Vielleicht«, sagte Lula.
»Nicht später«, sagte Vinnie. »Jetzt. Sofort. Ich bin völlig abgebrannt. Lucille bringt mich noch um.«
Connie, Lula und ich wussten genau, wer ihn umbringen würde, jedenfalls nicht Lucille. Es war Lucilles Vater, Harry, genannt der Hammer. Harry wollte nur das Beste für Lucille. Er konnte es nicht mit ansehen, wenn Lucille enttäuscht wurde.
»Wie war es gestern Abend im Pflegeheim?«, erkundigte ich mich bei Lula.
»Wir mussten früher Schluss machen. Zwei alte Leutchen bekamen von den Federn einen Asthmaanfall. In der Mittagspause ziehe ich los, um uns neue Outfits zu besorgen. Sonntagabend ist unser großer Auftritt bei den ›Brüdern der treuen Söhne‹. Wir haben extra eine Sonderprobe angesetzt, damit Grandma die Tanzschritte lernen kann. Mit Kostümprobe und allem Drum und Dran.«
Ein Blumenlieferwagen hielt vor dem Büro, und ein Mann stieg aus und brachte einen Blumenstrauß herein. »Ist hier eine Stephanie Plum unter Ihnen?«
»Oh, oh«, sagte Lula. »Morelli hat wohl wieder was gutzumachen.«
Ich nahm die Blumen und legte sie auf Connies Schreibtisch. Dann las ich die beigelegte Karte. Bis dass der Tod uns scheidet.
»Was soll denn der Scheiß?«, sagte Lula.
»Das ist von einem meiner vielen heimlichen Bewunderer«, sagte ich. »Wahrscheinlich irgendein Serienmörder, der gerade aus dem Gefängnis ausgebrochen ist.«
»Ja, ja«, sagte Lula. »Wer sonst? Serienmörder sind ja bekannt für ihre romantische Ader.«
»Haben wir neue NVGler reingekriegt?«, fragte ich Connie.
»Heute Morgen noch nicht. Der mit der höchsten Kaution, der noch frei rumläuft, ist Lonnie Johnson. Wenn du über den was rausfinden könntest, wäre das schön.«
Die Eingangstür flog auf, und Joyce Barnhardt stakste ins Büro. Sie war noch immer ganz in schwarzem Leder - schwarze Stilettolederstiefelchen, tief sitzende, hautenge schwarze Lederpants und ein schwarzes Ledermieder, aus dem oben ihre Titten hervorquollen. Das rote Haar war gebändigt, die langen künstlichen Fingernägel waren sauber manikürt und lackiert und ihre knallroten glänzenden Lippen zum Platzen angeschwollen.
»Ich habe ihn! Ich habe den Totenschein«, verkündete sie. Sie ließ das Stück Papier auf Connies Schreibtisch herunterflattern und wandte dann ihre Aufmerksamkeit Meri zu. »Wer ist die denn?«
»Die neue Kopfgeldjägerin«, sagte Connie.
»Sie sehen
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