12 Stunden Angst
geliebt. Mit Warren hatte sie seit ihrer letzten Periode nur zweimal Geschlechtsverkehr gehabt – beide Male, nachdem sie und Danny ihre Affäre beendet hatten.
Außerdem nahm sie die Pille, verdammt! Ein zu achtundneunzig Prozent sicheres Verhütungsmittel. Wie konnte sie zu den unglücklichen zwei Prozent gehören, die es trotzdem erwischte? Sicher, sie hatte schon einige Male Pech gehabt im Leben, aber noch nie so großes Pech. Es musste an dem verdammten Rotavirus liegen. Irgendwie hatte Laurel sich im vergangenen Monat mit diesem Erreger infiziert, wegen dem bereits mehrere große Kreuzfahrtschiffe unter Quarantäne gestellt worden waren. CNN hatte berichtet, dass der Virus geradezu über das Land hinwegfege – kein besonders gelungener sprachlicher Vergleich, aber letztlich war es tatsächlich so: Von Küste zu Küste litten die Menschen an Brechdurchfall. Dabei verschwanden in drei bis fünf Tagen sämtliche durch die Antibabypille zugeführten Progestagene aus dem Körper der Erkrankten. Und da Laurel letzten Monat fast jeden zweiten Tag Sex gehabt hatte, war eine Empfängnis beinahe unausweichlich gewesen.
Laurel legte den Kopf aufs Lenkrad und ließ den Tränen freien Lauf. Sie hatte sich stets für eine starke Frau gehalten, doch nun hatten sich Schicksal und Zufall gegen sie verbündet – und als Dritte im Bunde kam die Dummheit hinzu. Es sah ganz danach aus, als müsse sie in einigen Monaten ein illegitimes Kind im Haushalt ihres Mannes großziehen.
Es war ein Gedanke, den sie nicht ertragen konnte.
In ihrem verzweifelten Bemühen, nicht an das bevorstehende Treffen mit Starlette zu denken, ging Laurel sämtliche Möglichkeiten durch. Wenn man für den Rest seines Lebens in einer Ehe ohne Liebe gefangen war, war ein Kind der Liebe der vielleicht einzige Anker zur Wirklichkeit. Zumindest zu demLeben, das hätte sein können. Konnte sie den Rest ihres Lebens mit einer solchen Lüge verbringen? Im vergangenen Jahr war es ihr schon schwer genug gefallen, selbst bei kleinen Dingen zu lügen und die tausend winzigen Täuschungen hervorzubringen, die eine außereheliche Affäre erforderte. Und jede Lüge erzeugte die Notwendigkeit Dutzender weiterer – »Lügen und Nebenlügen« pflegte Danny sie zu nennen –, die wie die Köpfe einer sich endlos vermehrenden Hydra wuchsen. Trotzdem hatte Laurel alles versucht, den Schein der Normalität aufrechtzuerhalten, und sie war richtig gut darin geworden – so gut, dass die Lügen ganz von selbst kamen. Zwar spürte sie, wie die Unehrlichkeit ihre Seele zerfraß, und doch log sie weiter und weiter.
Aber was noch viel schlimmer war: Sie würde auch ihr ungeborenes Kind zur Lüge zwingen, vom ersten Tag seines Lebens an. Seine ganze Existenz wäre eine einzige Lüge. Und was wäre mit Warren? Er würde versuchen, das Baby zu lieben, aber würde er wirklich Liebe empfinden? Oder würde er etwas Fremdes in dem kleinen Eindringling spüren? Einen störenden Geruch? Eine genetische Dissonanz? Ein Erschauern bei der Berührung von Haut oder Haar? Zumal das Baby Warren nicht ähnlich sehen würde, es sei denn, durch puren Zufall.
Laurel kannte eine Frau namens Kelly Rowland, eine ehemalige Kommilitonin, die nach einem One-Night-Stand schwanger geworden war, obwohl sie sich erst kurz zuvor mit dem Jungen verlobt hatte, mit dem sie sich seit drei Jahren traf. Kellys Verlobter war ein guter, verlässlicher, wenngleich ein wenig nichtssagender Typ von durchschnittlicher Attraktivität und mit exzellenten finanziellen Aussichten gewesen. Kelly hatte mit beinahe religiösem Eifer darauf bestanden, dass er beim Sex stets Kondome benutzte; deshalb war es Laurel sehr merkwürdig erschienen, dass Kelly sich von einem breitschultrigen, dunkelhaarigen Footballspieler nach einer Kerzenlichtzeremonie für eine Kommilitonin nach allen Regeln der Kunst hatte durchvögeln lassen – ohne Kondom. Als Kelly erfuhr, dass sie schwanger war, hattesie einfach ihren Hochzeitstermin vorverlegt, ihre eigene Kerzenlichtzeremonie veranstaltet und nie wieder zurückgeblickt. Das war nun dreizehn Jahre her, und Kelly war noch immer verheiratet und lebte mit ihrem Mann in Houston.
Was war die Alternative? Abtreibung? Laurel schüttelte den Kopf. Wie konnte sie das Kind des Mannes abtreiben, den sie über alles liebte? Und selbst wenn sie sich dazu überwinden konnte – wie sollte sie ihrem Mann klarmachen, dass sie eine Abtreibung wollte? Du kriegst die Abtreibung auch, ohne ihm zu verraten,
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