12 - Tod Bei Vollmond
lehnte ab, daraufhin wirkte er gekränkt. Ballgel war mit ihren anderen Freundinnen zusammen, und offen gesagt, Gobnuid ist so alt, er hätte ihr Vater sein können. Ich fürchte, daß sich die jungen Burschen über ihn lustig gemacht haben, also ließ er ein paar zornige Worte fallen und verließ das Fest. Das ist alles.«
»Ich verstehe. Um auf die Mordnacht zurückzukommen: Ballgel hat die Festung gegen Mitternacht oder kurz darauf verlassen, stimmt das?«
»Ja.«
»Wann hat man die Leiche gefunden?«
»Einer der Dorfbewohner fand sie in aller Frühe beim Pilzesammeln.«
»Und kurz darauf sind sie gegen die Abtei gezogen. Warum?«
»Ich war nicht dabei.« Sirins Stimme klang nun ungewöhnlich barsch. »Ich habe Trauer, meine Schwester Berrach ebenso. Mein Cousin Brocc hat die Leute aufgewiegelt. Brocc hatte schon seine Nichte verloren.«
Becc mischte sich ein. »Es ist wahr. Sirin befand sich nicht unter den Leuten, die die Mönche bedrohten. Er und Berrach waren ganz sicher nicht dabei.«
Fidelma nickte, wandte sich aber weiterhin direkt an Sirin.
»Glaubst du, daß die Fremden in der Abtei die Täter sind?«
Sirins Gesicht blieb ausdruckslos. »Das weiß ich nicht. Viele behaupten, ja. Mir fehlen die Beweise dafür.«
»Hat sich dein Cousin mit dir über seinen Verdacht unterhalten?«
»Er mag die Fremden nicht, weil sie Fremde sind.«
»Du scheinst da anderer Ansicht zu sein«, sagte Fidelma.
»Ich möchte, daß die Schuldigen bestraft werden, doch zuerst muß festgestellt werden, ob sie wirklich schuldig sind.«
»Verdächtigst du sie oder jemand anderen? Was meinst du, warum hat man Ballgel ermordet?«
Sirin schüttelte den Kopf. »Ich glaube, daß nur ein wildes Tier oder ein Verrückter sie so schrecklich zugerichtet haben kann. Mehr weiß ich nicht. Doch ich sage dir noch eins, Schwester: Weiß ich erst einmal, wer schuldig ist, so will ich Rache. Erzähl mir nichts von Gerechtigkeit. Ich bin Christ, und hat nicht Paulus von Tarsus an die Galater geschrieben: ›Denn was der Mensch sät, das wird er ernten‹? Wer immer diese schreckliche Tat begangen hat, hat einen Dorn in mein Herz gesenkt. Und das wird ihm nicht gut bekommen.«
Fidelma hatte Mitleid, blickte den Koch aber dennoch mißbilligend an. »Neues Blut wird unser Blut nicht fortwaschen, Sirin.«
»Auge um Auge, Zahn um Zahn …«
Fidelma seufzte. »Nun dann, Sirin.«
Er wollte sich gerade von ihr abwenden, denn er glaubte wohl, daß sie ihre Befragung beendet hatte, da lehnte sich auf einmal Eadulf vor.
»Du hast gesagt, daß Brocc dein Cousin ist, Sirin. Bist du auch mit Adag verwandt?«
Sirins Miene verdüsterte sich.
»Nein«, sagte er schroff. »Darf ich nun gehen?«
»Du darfst in die Küche zurückkehren«, erwiderte Fidelma ein wenig erheitert. Es stimmte, daß der Verwalter und der Koch aufgrund ihrer Ähnlichkeit Brüder hätten sein können.
Als Sirin fort war, lächelte Fidelma den Fürsten traurig an.
»Heraklit sagt, daß es schwierig ist, gegen Zorn anzukämpfen, denn ein Mensch wird mit seiner ganzen Seele Rache verlangen. Scheinbar ist Brocc nicht der einzige, der hier nach Rache trachtet, Becc.«
Nun herrschte ein unangenehmes Schweigen. Dann sprach Fidelma den Verwalter an, der geduldig neben der Tür gewartet hatte.
»Man sagte mir, daß in jener Nacht der Abt als erster das Fest verließ. Wann genau war das?«
Adag blickte seinen Fürsten fragend an.
Fidelma stieß aufgebracht die Luft aus. »Adag, hör gut zu. Wenn ich dir eine Frage stelle, mußt du, bevor du sie beantwortest, weder um Beccs Erlaubnis ersuchen noch um die eines anderen. Wenn du schon nicht respektierst, daß ich eine Richterin bin, obwohl du das Gesetz befolgen solltest, so respektiere, daß ich die Schwester unseres Königs bin, der in Cashel sitzt. Selbst dein Fürst, Becc, mein Cousin, muß sich mir in dieser Sache unterordnen.«
Becc wirkte verlegen.
»Ich muß mich für meinen Untergebenen entschuldigen, Fidelma. Er hat eine seltsame Vorstellung von Treue«, sagte er und sah Adag voller Zorn an. »Du wirst meiner Cousine Fidelma genauso bereitwillig Rede und Antwort stehen wie mir, Adag. Sonst sehe ich mich nach einem neuen Verwalter um.«
Adag errötete und wirkte nervös.
»Wie war deine Frage?« Seine Stimme klang reumütig.
»Ich fragte, zu welcher Zeit der Abt in jener Nacht die Festung verlassen hat?«
»Kurz nach Mitternacht, glaube ich«, erwiderte er.
»Und war das vor oder nach Ballgel?«
Überrascht
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