12 - Tod Bei Vollmond
werden, ob er für die Morde zur Verantwortung gezogen werden kann oder nicht.«
Eadulf schwieg eine Weile, dann sagte er: »Nun, zumindest hast du einen weiteren Konflikt mit den Uí Fidgente verhindert. Und Accobrán wird lange dafür arbeiten müssen, allen die entsprechende Entschädigung zahlen zu können.«
»Und er wird nie wieder ein Ehrenamt bekleiden«, stimmte ihm Fidelma zu. »Die drei Aksumiter tun mir leid. Bruder Dangila und seine Gefährten kannten unsere Gesetze der Gastfreundschaft nicht und hatten keine Ahnung, daß sie dagegen verstießen.«
»Zumindest sind sie in Freiheit und an die Küste geschickt worden, wo sie sich nach einem Schiff umsehen können, das sie hoffentlich in ihre Heimat bringt. Was aber wird mit Gobnuid geschehen?«
»Er mußte seine Schmiede und sein Werkzeug verkaufen, damit er die Entschädigung zahlen konnte. Er ist bereits in die Gemeinschaft der Abtei des heiligen Finnbarr eingetreten. Dort brauchten sie einen guten Schmied.«
Eadulf mußte lachen. »Ich kann ihn mir gar nicht als Mönch vorstellen.«
Sie waren nun am Fuße des Berges angelangt und kamen auf eine Landstraße, die sie durch bestellte Felder führte. Eadulf blickte Fidelma an und lächelte glücklich.
»Bald werden wir in Finan’s Height sein. Dort überqueren wir die Furt und bitten im Kloster Finans des Aussätzigen zur Mittagszeit um Gastfreundschaft. Gegen Abend werden wir Cashel erreichen.«
Fidelma freute sich über seine Begeisterung. Sie selbst jedoch war ein bißchen traurig.
In den letzten Tagen war keine Zeit geblieben, darüber nachzudenken, was sie in der Festung ihres Bruders erwartete. Sie war wie im Fieber damit beschäftigt gewesen, die Aufklärung des Falls zu betreiben. Mit unerbittlicher Konsequenz hatte sie die einzelnen Fäden so schnell wie möglich miteinander verknüpft. Und die Euphorie, als sie ihre Lösung schließlich vortrug! Und vor allem das wunderbare Gefühl von Freiheit und Unabhängigkeit, das sie auf der Jagd nach der Wahrheit verspürt hatte. Und nun – nun stand die Rückkehr nach Cashel unmittelbar bevor, nur kurze Zeit hatte sie ihrem Zuhause entfliehen können. Da sie es Eadulf versprochen hatte, würde sie einer Aussprache mit ihm nicht mehr ausweichen können. Sie mußte sich ihren Problemen stellen.
Hinter ihrem maskenhaften Lächeln fühlte sie sich ungemein schuldig. Sie glaubte, daß sie Eadulf gegenüber nicht mit offenen Karten spielte. Es war nicht zum erstenmal in den letzten Monaten, daß sie ihre Gedanken und eigenartigen Gefühle seit der Geburt von Alchú hinterfragte. Irgendwie schien sie sich in einer Depression zu befinden, stellte sie doch auch die Beziehung zu ihrem sächsischen Gefährten in Frage. Es hatte lange gedauert, bis sie vor einem knappen Jahr eingewilligt hatte, seine ben charrthach zu werden, also nach Gesetzen der Brehons nicht seine angetraute Ehefrau, sondern seine Gefährtin. Sie waren eine eheähnliche Beziehung eingegangen, die im Cáin-Lánamnus-Gesetz anerkannt war: eine Probeehe für ein Jahr und einen Tag. Danach stand es beiden Partnern frei, sich, ohne Strafe und ohne in schlechten Ruf zu geraten, zu trennen und eigene Wege zu gehen, wenn das Zusammenleben nicht glücklich gewesen war.
Diese Probeehe war Fidelmas Entscheidung gewesen. Sie hatte befürchtet, daß nach dem Gesetz ihre Ehe mit Eadulf eine Ehe zweier Personen unterschiedlichen Standes sein würde. Fidelma war von königlichem Geblüt, Eadulf hätte also nicht die gleichen Eigentumsrechte wie seine Frau. Da sie Eadulfs Charakter gut kannte, ging sie davon aus, daß eine Abmachung, in der sich Eadulf nicht gleichberechtigt fühlte, keine gute Voraussetzung für ein glückliches Zusammenleben mit ihm wäre.
Fidelma sorgte sich jedoch sehr um Eadulfs Wohl, und so wollte alles gut überlegt sein. Sie wußte, sie liebte Eadulf und konnte sich ein Leben ohne ihn – seine Unterstützung, seine Toleranz ihrem hitzigen Temperament gegenüber, das sie für ihren größten Makel hielt – nicht vorstellen. Doch in den Monaten nach der Geburt ihres Kindes waren ihr alle möglichen schwermütigen Gedanken durch den Kopf gegangen. Sie hatte sich gefragt, ob sie überhaupt zur Ehe taugte.
Bereute sie es, ein Kind geboren zu haben? Was war der Grund für ihr seelisches Durcheinander? Sie dachte oft daran, wieviel freier sie ohne Alchú wäre. All das quälte sie.
Warum war sie so unglücklich? Sie liebte Eadulf. Vorher hatte sie eine unglückliche
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