12 - Tod Bei Vollmond
Liebesaffäre mit Cian gehabt, einem Krieger, und geglaubt, sie würde sich, nachdem sie ihn verloren hatte, nie wieder verlieben. Doch dann war Eadulf auf einmal in ihr Leben getreten, und sie hatte eine eigenartige Anziehung gespürt. Sie dachte daran, wie es war, als sie sich getrennt hatten, als sie nach Cashel zurückkehrte und ihn in Rom zurücklassen mußte. Damals hatte sie sich auf seltsame Art einsam gefühlt. Natürlich hatte sie es sich nicht eingestehen wollen, daß sie die Gesellschaft des sächsischen Mönchs vermißte. Sie verglich die Männer, die ihr bis dahin begegnet waren, mit Eadulf. Und sie erinnerte sich an ihre tiefe Erregung und Freude, als sie Eadulf dann wiedergesehen hatte.
Das war Liebe. Oder? Sie hatte Eadulfs Gesellschaft, seine Freundschaft und seine Liebe sehr genossen. Aber sie wollte sicher sein, daß sie das Richtige tat. Vor zwei Jahren hatte sie beschlossen, daß er in seine Heimat zurückkehren sollte, während sie sich auf eine Pilgerreise an des Grab des heiligen Jakobus nach Iberia begeben wollte. Kaum in Iberia angekommen, hatte sie die Nachricht erhalten, daß Eadulf in Todesgefahr schwebte. Sie war sofort zu ihm geeilt, um ihm beizustehen. Das war doch Liebe, oder?
Was stimmte nur nicht mit ihr? Warum quälten sie solche Gedanken? Körperlich krank war sie sicher nicht. In der letzten Nacht hatte Eadulf versucht, ihr ein bitteres Gebräu aus brachlais einzuflößen. Wie hieß es doch gleich? Johanniskraut. Sie wußte natürlich, daß die Heilkundigen von Éireann dieses Kraut Frauen verabreichten, die nach der Geburt ihres Kindes niedergeschlagen waren und in Depressionen verfielen. Sie litt doch wohl nicht an einer solchen Melancholie, oder? In dem Moment, in dem sie sich ernsthaft diese Frage stellte, dämmerte ihr bereits die Antwort.
All das beschäftigte sie die ganze Zeit über derart, daß sie gar nicht bemerkte, daß sie beinah am Kloster Finans des Aussätzigen angelangt waren. Es war erst unlängst errichtet worden, doch schon bald hatte sich um die Klostergebäude und die Kapelle herum ein kleines Dorf gebildet. Es war ein schönes Fleckchen Erde in einer schönen Landschaft. Eine ausgezeichnete Anlaufstelle für Händler, die vom Fluß her kamen und ihre Güter per Fuhrwerk weiter in die unzugänglicheren Gegenden des Königreiches befördern wollten.
Sie durchquerten den Fluß an einer nicht ungefährlichen Furt, die recht tief war und von starken Strömungen durchzogen wurde. Das Kloster hatte dort immer einen Wächter postiert, der mögliche Unfälle melden und Hilfe rufen sollte. Eadulf gelang es, als erster mit seinem Pferd das gegenüberliegende Ufer zu erreichen. Er wartete auf Fidelma, und gemeinsam ritten sie auf das Kloster zu, wo man ihnen Gastfreundschaft gewähren würde.
»Lady, ehrwürdige Lady!«
Der Ruf schallte vom Eingang einer Schenke am Weg zu ihnen herüber. Ein großer, dunkelhäutiger Krieger löste sich hastig aus dem Schatten der Tür und eilte auf sie zu. Er trug die Farben der Krieger von Cashel, und um seinen Hals hing die goldene Fackel der obersten Garde von Cashel. Fidelma kannte ihn, erinnerte sich aber im Moment nicht an seinen Namen. Der Mann trat neben ihr Pferd.
»Gott sei Dank, daß ich dich schon hier treffe, Lady.« Er sah Eadulf an und grüßte ihn kurz, wobei er mit den Fingern gegen seine Schläfe tippte. »Dich auch, Bruder Eadulf.«
»Wofür dankst du Gott?« fragte Eadulf neugierig.
»Ich habe den Auftrag, ins Land der Cinél na Áeda nach Rath Raithlen aufzubrechen.«
»So freuen wir uns, daß wir dir die lange Reise ersparen konnten«, sagte Fidelma. »Wieso hat man dich nach uns ausgeschickt? Ich schätze, es gibt Neuigkeiten aus Cashel.«
Verlegen trat der Krieger von einem Bein aufs andere. Sein Blick war betrübt. »So ist es, Lady.«
Angst stieg in Fidelma auf. »Ist etwas mit meinem Bruder? Mit Colgú? Gibt es schlechte Nachrichten?«
»Dein Bruder, der König, ist wohlauf, wenn auch äußerst besorgt. Es gibt schlechte Nachrichten, Lady …«
»So sprich schon!« warf Eadulf ein, den das Zögern des Mannes reizte.
»Es geht um dein Kindermädchen Sárait. Sie ist ermordet worden.«
Fidelma sah ihn erschrocken an. »Sárait ist ermordet worden? Was ist geschehen?«
»Lady.« Der Krieger holte tief Luft, und auf einmal stürzten die Worte aus ihm heraus: »Sárait ist ermordet worden, und euer Sohn Alchú wurde entführt.«
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