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12 - Wer die Wahrheit sucht

12 - Wer die Wahrheit sucht

Titel: 12 - Wer die Wahrheit sucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Darum sagte er: »Ja, Liebes, ich halte es für möglich, dass da mehr ist.«
    Deborah zog die Brauen zusammen. Sie blickte über seine Schulter hinweg zu der Stelle, wo der Fußweg zur Bucht in einer Gruppe Rhododendron-Büsche verschwand. »Ich kann es nicht glauben«, sagte sie. »Selbst wenn sie wirklich so labil war. Wegen Matt, meine ich. Wenn so was passiert - so ein Bruch zwischen Männern und Frauen - dann braucht das trotzdem seine Zeit, Simon. Eine Frau muss das Gefühl haben, dass zwischen ihr und dem nächsten Mann mehr ist. Sie will nicht glauben, dass es nichts weiter ist als - na ja, Sex eben...« Eine tiefe Röte breitete sich auf ihrem Hals aus und schoss in ihre Wangen hinauf.
    St. James wollte sagen: So war es für dich, Deborah. Sie hatte ganz ohne Absicht ihrer beider Liebe das schönste Kompliment gemacht, das es gab: Indem sie ihm gesagt hatte, dass sie sich nach ihm nicht leichten Herzens Thomas Lynley zugewandt hatte. Aber es waren nicht alle Frauen wie Deborah. Andere hätten nach dem Ende einer langen Liebesbeziehung die schnelle Selbstbestätigung in Form einer Affäre gesucht. Zu wissen, dass sie noch begehrenswert waren, wäre ihnen wichtiger gewesen, als zu wissen, dass sie geliebt wurden. Aber das alles konnte er an dieser Stelle nicht sagen. Es spielte zu tief in Deborahs Beziehung zu Lynley hinein; zu tief in seine eigene Freundschaft mit dem Mann.
    Er sagte darum nur: »Lass uns versuchen, für alles offen zu bleiben. Bis wir mehr wissen.«
    »In Ordnung«, sagte sie.
    »Wir sehen uns später.«
    »Im Hotel.«
    Er küsste sie flüchtig und küsste sie dann noch mal. Ihr Mund war weich, und ihre Hand berührte seine Wange. Er wollte bei ihr bleiben. »Verlang Le Gallez persönlich«, sagte er. »Gib den Ring keinem anderen.«
    »Nein. Natürlich nicht.«
    Er ging zum Haus zurück.
    Deborah sah ihm nach, wie er davonging, in seiner natürlichen Anmut behindert durch die Schiene am Bein. Sie wollte ihn zurückrufen und ihm erklären, dass sie China River kannte; auf eine Weise kannte, deren Ursprung eine Notlage war, von der er nichts verstand; auf eine Weise, die zwischen zwei Frauen eine Freundschaft mit vollkommenem Verstehen heranwachsen lässt. Es gibt Bereiche einer gemeinsamen Geschichte zweier Frauen, wollte sie ihrem Mann sagen, die begründen eine Form der Wahrheit, die niemals zerstört und niemals geleugnet werden kann und die keine langen Erklärungen braucht. Die Wahrheit ist einfach, und wie eine Frau sich im Rahmen dieser Wahrheit verhält, ist klar, wenn die Freundschaft echt ist. Aber wie das einem Mann erklären? Und nicht irgendeinem Mann, sondern ihrem Ehemann, der seit mehr als einem Jahrzehnt in dem Bemühen lebte, seine körperliche Versehrtheit zu negieren -wenn nicht gar völlig zu leugnen -, indem er sie wie eine Kleinigkeit behandelte, obwohl sie doch, wie Deborah wusste, einen großen Teil seiner Jugend zerstört hatte.
    Es ging nicht. Sie konnte nur alles tun, was in ihrer Macht stand, um ihm zu zeigen, dass die China River, die sie kannte, keine leichtfertige Verführerin war, schon gar nicht eine Mörderin.
    Sie setzte sich in den Wagen und fuhr, den Windungen des Val des Terres folgend, den bewaldeten Hang hinunter nach St. Peter Port, wo sie direkt oberhalb der Havelet Bucht aus dem Wald herauskam. Unten am Wasser waren nur wenige Fußgänger zu erkennen. Eine Straße hangaufwärts herrschte in den Banken, denen die Kanalinseln ihre Berühmtheit verdankten, zu jeder Jahreszeit reger Betrieb; hier unten jedoch rührte sich kaum etwas: keine Steuerflüchtlinge, die auf ihren Booten die Sonne genossen, keine Touristen, die eifrig Fotos von der Festung und der Stadt schossen.
    Deborah parkte in der Nähe des Hotels am Ann's Place, keine Minute zu Fuß vom Polizeipräsidium entfernt, das in der Hospital Lane lag. Sie blieb noch einen Moment im Wagen sitzen, nachdem sie den Motor ausgeschaltet hatte. Bis zu Simons Rückkehr aus Le Reposoir blieb ihr mindestens noch eine Stunde, und sie beschloss, die Zeit mit einer kleinen Abweichung von dem Auftrag, den er ihr gegeben hatte, zu nutzen.
    In St. Peter Port gab es keine großen Entfernungen. Zu Fuß gelangte man in weniger als zwanzig Minuten überall hin, und im Zentrum - ein von Straßen umgebenes, etwas unförmiges Oval, das mit der Vauvert begann und sich gegen den Uhrzeigersinn bis zur Grange Road krümmte - brauchte man sogar nur die Hälfte der Zeit, um von A nach B zu kommen. Doch die Straßen der

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