12 - Wer die Wahrheit sucht
gefällt?«
»Nein, nein.« »Also dann...«
»Es geht darum, was sich aus diesem Testament ergibt.«
»Aber Sie haben doch eben gesagt, dass Ruth...« Debieres Gesicht bekam wieder diesen verkrampften Ausdruck, den Frank von früher kannte. Dahinter verbargen sich Zorn und Wut eines einsamen Jungen, dem von keinem die Freundschaft zuteil wurde, die seinen Weg leichter oder zumindest weniger einsam gemacht hätte. »Also gut, was ergibt sich aus dem Testament?«
Frank hatte über diese Frage gründlich nachgedacht. Er hatte sie auf der Fahrt hierher aus sämtlichen Blickwinkeln betrachtet. Hätte Guy Brouard eine Weiterführung des Museumsprojekts gewünscht, so hätte sich das in seinem Testament niedergeschlagen. Ganz gleich, wie oder wann er über den Rest seines Vermögens verfügt hatte, er hätte einen angemessenen Betrag für die Errichtung des Kriegsmuseums hinterlassen. Da er es nicht getan hatte, war für Frank alles klar.
Debiere hörte mit wachsender Ungläubigkeit zu, als er ihm seine Auffassung erläuterte.
»Haben Sie denn völlig den Verstand verloren?«, fragte er empört, als Frank zum Ende gekommen war. »Wozu hat er dann dieses Riesenfest veranstaltet? Wozu die feierliche Bekanntmachung seiner Pläne? Der Champagner und das Feuerwerk? Wozu die großartige Vorstellung dieser beschissenen Aufrisszeichnung?«
»Ich habe keine Erklärung dafür. Ich kann mich nur an die Fakten halten, die wir haben.«
»Aber was an dem Abend los war, gehört auch zu den Fakten, Frank. Und auch, was er gesagt hat. Wie er sich verhalten hat.«
»Ja, aber was hat er denn tatsächlich gesagt?«, beharrte Frank. »Hat er irgendwann einmal von der Grundsteinlegung gesprochen? Von Daten für die Fertigstellung? Finden Sie es nicht seltsam, dass er das nie getan hat? Meiner Ansicht nach gibt es dafür nur einen Grund.«
»Und der wäre?«
»Er hatte gar nicht die Absicht, das Museum zu bauen.«
Debiere starrte Frank an. Hinter ihm tollten seine Kinder auf der Wiese herum. In der Ferne, aus der Richtung von Fort George, kam ein Mann im blauen Trainingsanzug mit einem Hund an der Leine auf die Wiese gejoggt. Er machte das Tier los, und es rannte mit fliegenden Ohren in Riesensätzen auf die Bäume zu. Debieres Jungen kreischten vor Vergnügen, aber diesmal drehte ihr Vater sich nicht herum. Er blickte vielmehr an Frank vorbei zu den Häusern in der Fort Road, richtete sein Augenmerk im Besonderen auf sein eigenes Haus: einen großzügigen Bau, gelb mit weiß abgesetzt, mit einem großen Garten für die Kinder. Drinnen saß wahrscheinlich Caroline Debiere über ihrem Roman, diesem lang erträumten Roman, zu dem Debiere seine Frau gedrängt hatte. Gehorsam hatte sie die Stellung als Redakteurin bei der Architectural Review aufgegeben, mit der sie glücklich gewesen war, bevor sie und Debiere sich zusammengetan und ein Wolkenkuckucksheim gebaut hatten, in das jetzt, mit Guy Brouards Tod, die grausame Realität einzubrechen drohte.
Debieres Gesicht lief rot an, als ihm bewusst wurde, was Frank da eben gesagt hatte. »N-n-icht die A-a-a-absicht... Niemals? W-wollen S-sie sagen, d-d-dieser M-mistkerl...« Er brach ab. Er schien sich zur Ruhe zwingen zu wollen, aber es gelang ihm nicht.
Frank half ihm. »Ich will damit nicht sagen, dass er uns alle zum Narren gehalten hat. Aber ich glaube, dass er es sich anders überlegte. Aus irgendeinem Grund. Ja, ich glaube, so war's.«
»A-aber was s-sollte d-d-dann die P-party?«
»Das weiß ich nicht.«
»U-und d-d-« Wieder brach er ab und kniff fest die Augen zusammen. Sein ganzes Gesicht verzog sich. Dreimal hintereinander sagte er das Wort »dann«, als wäre es eine Zauberformel, die ihn von seinem Gebrechen befreien würde, und als er danach wieder sprach, stotterte er nicht mehr. »Was sollte dann die große Bekanntmachung, Frank? Und diese Zeichnung? Er hat sie eigens rausgeholt. Sie waren doch dabei. Er hat sie jedem gezeigt. Er - mein Gott. Warum das alles?«
»Ich weiß es nicht. Ich kann es nicht sagen. Ich verstehe es ja auch nicht.«
Debiere musterte ihn prüfend. Er trat einen Schritt zurück, wie um ihn besser sehen zu können. Seine Augenbrauen zogen sich zusammen, sein Gesicht verkrampfte sich mehr denn je. »Da habt ihr mich schön angeschmiert«, sagte er. »Genau wie früher.«
»Angeschmiert? Wieso?«
»Na, Sie und Brouard, ihr habt mich doch schon immer für dumm verkauft und euch dann über mich kaputtgelacht. Wie damals in der Schule, da haben Sie
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