12 - Wer die Wahrheit sucht
von der Zerstörung der Muscheldekorationen sprach, die einmal den Rasen und die Blumenbeete geschmückt hatten. »Tja, manchmal werfen wir uns selbst Minen vor die Füße«, meinte sie.
»Eher Atombomben, wenn du mich fragst. Er war fast siebzig. Und sie ist - wie alt? Siebzehn? Gottverdammt, das ist doch Kindesmissbrauch! Aber nein, nicht doch, in der Hinsicht war er sehr vorsichtig.« Sie fuhr sich durch das kurze Haar. Es war eine unsanfte, ruckartige Geste, die stark an ihren Bruder erinnerte. Sie sagte: »Männer sind Schweine. Wenn es wirklich irgendwo einen anständigen Mann gibt, würde ich ihn bei Gelegenheit verdammt gern kennen lernen. Nur um ihm die Hand zu schütteln und Hallo zu sagen. Um zu wissen, dass nicht alle nur auf einen tollen Fick aus sind. Dieser ganze Scheißdreck von wegen du bist die Richtige und ich liebe dich. Warum fallen die Frauen nur immer wieder darauf rein?« Sie warf Deborah einen Blick zu, und bevor diese antworten konnte, fügte sie hinzu: »Ach, vergiss es. Lass es. Ich vergess das immer. Du gehörst ja nicht zu denen, die sich von den Männern niedermachen lassen.«
»China, das ist -«
China winkte ab. »Entschuldige. Entschuldige bitte. Ich hätte nicht... Aber sie zu sehen... sich das anzuhören... Schon gut.« Sie lief hastig zum Wagen.
Deborah folgte. »Keinem von uns bleiben Schmerzen erspart. Das Leben verlangt, dass wir mit ihnen fertig werden. Das ist einfach so. Schmerzen sind so etwas wie ein Nebenprodukt der Lebendigkeit.«
»Aber es muss nicht so sein.« China riss die Tür auf und warf sich in den Wagen. »Frauen brauchen nicht so dumm zu sein.«
»Wir werden darauf gedrillt, an Märchen zu glauben«, sagte Deborah. »Ein gequälter Mann muss durch die Liebe einer reinen Frau erlöst werden. Diese Idee wird uns von der Wiege an eingeimpft.«
»Aber hier hatten wir es nun nicht gerade mit einem gequälten Mann zu tun«, widersprach China und wies mit der Hand zum Haus. »Wieso ist sie trotzdem auf ihn reingefallen? Sicher, er war charmant, sah gut aus. Und er war fit, wirkte nicht wie siebzig. Aber sich überreden zu lassen... ich meine, beim ersten Mann... Du kannst es drehen und wenden, wie du willst, er hätte ihr Großvater sein können. Ihr Urgroßvater sogar.«
»Sie hat ihn offenbar trotzdem geliebt.«
»Ich wette, sein Bankkonto hatte einiges damit zu tun. Schönes Haus, schöner Besitz, schönes Auto, schönes Dies und schönes Das. Die Verlockung, einmal Herrin dieses Besitzes zu werden. Tolle Urlaube auf der ganzen Welt. Klamotten, so viel man will. Du magst Diamanten? Bitte, sie gehören dir. Fünfzigtausend Paar Schuhe? Das schaffen wir. Einen Ferrari hättest du gern? Kein Problem. Ich wette, das hat Guy Brouard in ihren Augen supersexy gemacht. Ich meine, schau dich hier doch mal um. Schau dir an, wo sie herkommt. Sie war eine leichte Beute für ihn. Jedes Mädchen aus solchen Verhältnissen wäre eine leichte Beute gewesen. Sicher, die Frauen fallen gern auf den gequälten Idioten rein. Aber versprich ihnen das große Geld, dann hast du sie schon in der Tasche.«
Deborah hörte sich das alles an, und ihr Herz klopfte schnell und leicht oben am Hals. Sie sagte: »Glaubst du das wirklich, China?«
»Worauf du dich verlassen kannst. Und die Männer wissen genau, wie's läuft. Schmeiß mit der Kohle um dich, und warte ab, was passiert. Geld wirkt ungefähr wie Fliegenpapier. Den meisten Frauen ist nur das Geld wichtig, ob der Mann überhaupt auf den Beinen stehen kann, interessiert sie gar nicht. Hauptsache, er atmet noch und ist reich. Da fragen wir nicht lang und unterschreiben. Ist doch ein gutes Geschäft. Aber wir nennen es Liebe und erzählen allen, wie glücklich wir sind, wenn wir mit ihm zusammen sind. Wenn wir zusammen sind, behaupten wir, zittert die Erde und der Himmel tut sich auf. Aber wenn man diese ganzen Theaterdonner mal weglässt, läuft's einzig auf die Kohle hinaus. Wir können einen Mann lieben, der Mundgeruch hat, keine Beine und keinen Schwanz, wenn er uns nur einen Lebensstandard bieten kann, an den wir uns gern gewöhnen.«
Deborah konnte nichts erwidern. Chinas Worte ließen sich in vielerlei Hinsicht auf sie selbst beziehen, nicht nur auf ihre Beziehung mit Tommy, die sich damals, praktisch unmittelbar, nachdem sie mit gebrochenem Herzen von London nach Kalifornien geflohen war, so rasant entwickelt hatte, sondern auch auf ihre Heirat mit Simon, die anderthalb Jahre nach Beendigung der Affäre mit Tommy
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