12 - Wer die Wahrheit sucht
zweifellos trotz des falsch geschriebenen Namens amüsiert. »Er lässt Ihnen ausrichten, Sie sollen sich ein Handy anschaffen«, fügte sie vielsagend hinzu.
Oben in seinem Zimmer trat St. James an den Schreibtisch, aber er rief Lynley nicht gleich zurück, sondern tippte zuerst eine andere Nummer ein.
Jim Ward, sagte man ihm, als er mit Kalifornien verbunden war, sei gerade in einer Besprechung. Leider finde sie nicht im Büro statt, sondern im Ritz Carlton Hotel. »An der Küste«, erklärte ihm betont wichtig eine Frau, die sich mit den Worten »Southby, Strange, Willow und Ward. Crystal am Apparat«, gemeldet hatte.
»Sie sind alle nicht zu erreichen«, fügte sie hinzu. »Aber wenn Sie eine Nachricht hinterlassen wollen...«
St. James hatte nicht die Zeit, zu warten, bis die Nachricht den Architekten erreichte, er fragte deshalb die junge Frau, die etwas zu kauen schien, ob sie ihm helfen könne.
»Ich werde mich bemühen«, versicherte sie freundlich. »Ich studiere selbst Architektur.«
Er hatte Glück mit seiner Frage nach den Plänen, die Jim Ward nach Guernsey geschickt hatte. Es war noch nicht so lange her, dass die Dokumente das Architekturbüro verlassen hatten, und zufällig war Crystal persönlich für den Versand von Plänen zuständig. Da die Verfahrensweise in diesem Fall so ungewöhnlich gewesen war, erinnerte sie sich ganz genau und war gern bereit, ihm Auskunft zu geben... wenn er einen Moment am Apparat bleiben könne, »weil ich gerade jemanden in der anderen Leitung habe«.
Er wartete, und binnen kurzem meldete sie sich wieder. Normalerweise, erklärte sie ihm, wären die Pläne über Internet an einen Architekten in Übersee gegeben worden, der das Projekt dann an Ort und Stelle weitergeführt hätte. Aber in diesem Fall waren die Pläne lediglich Arbeitsproben von Mr. Ward gewesen, die Sache war also nicht eilig gewesen. Sie hatte sie verpackt »wie immer« und einem Anwalt übergeben, der vorbeigekommen war, um sie zu holen. So war es, wie sie hörte, zwischen Mr. Ward und dem Kunden in Übersee vereinbart gewesen.
»War das ein Mr. Kiefer?«, fragte St. James. »Mr. William Kiefer? War das der Mann, der die Pläne geholt hat?«
Crystal sagte, an den Namen könne sie sich nicht erinnern. Aber sie glaube nicht, dass es Kiefer gewesen sei. Obwohl... Augenblick mal. Nein, jetzt, wo sie darüber nachdenke... der Typ habe überhaupt keinen Namen genannt. Er hatte nur gesagt, er wolle die Pläne abholen, die nach Guernsey geschickt werden sollten, und sie hatte sie ihm daraufhin ausgehändigt.
»Sie sind doch angekommen?«, fragte sie mit einiger Besorgnis.
Natürlich.
Wie sie verpackt gewesen seien, wollte St. James wissen.
Ganz normal, antwortete sie. Eine große Versandröhre aus festem Karton. »Das Paket ist doch nicht unterwegs beschädigt worden?«, erkundigte sie sich mit gleicher Besorgnis.
St. James beruhigte sie, dankte ihr und beendete nachdenklich das Gespräch. Dann tippte er die nächste Nummer ein und hatte Glück, als er nach William Kiefer fragte. Keine dreißig Sekunden später hatte er den Anwalt am Apparat.
Der zog Crystals Darstellung in Zweifel. Er habe niemanden geschickt, die Pläne abzuholen, sagte er. Mr. Brouard habe ihm ausdrücklich erklärt, dass die Pläne vom Architekturbüro an die Kanzlei geliefert würden, sobald sie fertig seien. Dann sollte er die Kuriere in Marsch setzen, die sie nach Guernsey bringen sollten. Genauso sei es abgelaufen.
»Erinnern Sie sich zufällig an den Boten, der die Pläne bei Ihnen vorbeibrachte?«, fragte St. James.
»Ich habe ihn nicht zu Gesicht bekommen. Oder sie. Oder wer immer es war«, antwortete Kiefer. »Er - oder sie - hat die Pläne bei der Sekretärin abgegeben. Ich bekam sie, als ich vom Mittagessen zurückkam. Sie waren fertig verpackt und adressiert. Aber vielleicht weiß sie noch... Bleiben Sie dran, ja?«
Es dauerte gut eine Minute. St. James wurde in der Zeit von Neil Diamond berieselt, der die englische Sprache um grässlicher Reime willen misshandelte. Dann meldete sich eine Frau namens Cheryl Bennett.
Der Bote, der die Pläne vorbeigebracht hatte, sei ein Mann gewesen, sagte sie. Auf St. James' Frage, ob sie sich an etwas Besonderes erinnere, kicherte sie. »Ganz entschieden. Diese Typen sieht man in Orange County nur ganz selten.«
»Was für Typen?«
»Rastas.« Der Mann, der die Pläne gebracht hatte, sei so ein karibischer Typ gewesen. »Rastalocken bis zum Hintern. Sandalen,
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