12 - Wer die Wahrheit sucht
getan?«
»Fünfzig Dollar«, sagte sie. »Fünfzig Dollar und ein Surfbrett. Überleg dir das mal, Deborah. Fünfzig Dollar und ein lumpiges altes Surfbrett.«
»Wovon redest du?«
»Ich rede davon, was er bezahlt hat. Ich rede vom Preis. Er dachte, es würde nur einmal stattfinden. Das dachten sie beide. Aber ich war gut - viel besser, als er erwartet hatte und viel besser, als ich erwartet hatte. Da wollte er mehr. Ursprünglich ging's nur darum, dass er endlich mal eine Jungfrau knacken wollte, und mein Bruder hat ihm versichert, dass ich ein williges Opfer wäre, wenn er sich nur wie ein netter, anständiger Junge benimmt und so tut, als ginge es ihm überhaupt nicht darum, mich in die Kiste zu kriegen. Und so ist es dann auch gelaufen. Allerdings dreizehn Jahre lang. Eigentlich ein prima Geschäft für ihn, wenn man sich überlegt, dass er dafür nur fünfzig Dollar und ein Surfbrett an meinen Bruder rausrücken musste. An meinen eigenen Bruder.« Der Lichtstrahl der Taschenlampe zitterte. Sie zwang sich zu einem Lachen.
»Stell dir das vor. Der eine glaubt, es war die ewige Liebe, und der andere kommt nur, um sich den besten Fick abzuholen, den er weit und breit kriegen kann. Und die ganze Zeit - die ganze Zeit, Deborah! - hat er eine Rechtsanwältin in LA, eine Galeristin in New York, eine Ärztin in Chicago und weiß der Himmel wen noch alles in den übrigen Teilen des Landes. Aber keine von ihnen - wohlgemerkt, Deborah, keine von ihnen - macht's ihm so gut wie ich, darum kann er nicht genug kriegen und kommt immer wieder zu mir zurück. Und ich bin so blöd zu glauben, dass wir irgendwann für immer zusammen sein werden, weil es so wunderbar ist, so einmalig, das muss er doch auch sehen, richtig? Und er sieht's ja auch, klar, aber es gibt eben noch andere, es hat von Anfang an andere gegeben. Ich hab das allerdings erst erfahren, als ich ihn zur Rede stellte. Nachdem mein Bruder, dieses gottverdammte Schwein, zugegeben hatte, dass er mich für fünfzig Dollar und ein Surfbrett an seinen besten Freund verschachert hat, als ich siebzehn Jahre alt war.«
Deborah wagte nicht, sich zu rühren, wagte kaum, zu atmen, weil sie Angst hatte, eine falsche Bewegung könnte die Freundin über die Grenze treiben, an der sie sich mühsam hielt. Sie sagte das Einzige, wovon sie überzeugt war: »Das kann nicht wahr sein!«
»Was kann nicht wahr sein?«, fragte China. »Der Teil über dich oder der über mich? Der über mich ist Fakt, das kann ich dir sagen. Also sprichst du wohl von dem Teil über dich. Willst du vielleicht sagen, dass dein Leben nicht von Tag eins bis Tag hundertscheißtausend wie am Schnürchen gelaufen ist, alles total nach Plan?«
»Natürlich ist es nicht so gelaufen. Kein Leben läuft so.«
»Der Daddy, der dich vergöttert. Der reiche Freund, der dir jeden Wunsch von den Augen abliest. Als Nächstes der gleichermaßen betuchte Ehemann. Alles, was man sich nur wünschen kann. Kein Wölkchen am Himmel. Okay, in Santa Barbara lief's nicht ganz so glatt, aber am Ende hat sich alles zum Besten gewendet. Und ist das bei dir nicht immer so? Alles wendet sich immer zum Besten.«
»China, so leicht macht es das Leben keinem. Das weißt du ganz genau.«
Es war, als hätte Deborah nicht gesprochen. »Und dann klinkst du dich einfach aus. Genau wie alle anderen. Als hätte ich nicht mein Herz und meine Seele daran gehängt, dir eine gute Freundin zu sein, als du eine gebraucht hast. Du bist genau wie Matt. Genau wie alle anderen. Du nimmst dir, was du brauchst, und vergisst, was du schuldig bist.«
»Soll das heißen... Du willst doch nicht etwa sagen, dass du das alles getan hast - was du getan hast... Hast du das etwa -«
»- deinetwegen getan? Bilde dir nichts ein. Es ist an der Zeit, dass mein Bruder seine Zeche bezahlt.«
Deborah dachte über Chinas Worte nach. Sie erinnerte sich daran, was Cherokee ihr an jenem ersten Abend in London erzählt hatte. Sie sagte: »Du wolltest doch gar nicht mit ihm nach Guernsey fliegen. Jedenfalls zu Anfang nicht.«
»Nein. Erst als ich mir überlegt hatte, dass ich diese Reise dazu benutzen könnte, ihn bluten zu lassen«, bestätigte China. »Ich wusste noch nicht, wann und wie, aber mir war klar, dass sich eine Gelegenheit ergeben würde. Vielleicht Drogen im Koffer bei der Zollabfertigung. Wir wollten nach Amsterdam, da hätte ich das Zeug besorgen können. Das wäre nicht schlecht gewesen. Nicht hundertprozentig, aber eine gute Möglichkeit. Auch eine
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