12 - Wer die Wahrheit sucht
einem Blick an, den sie lieber gar nicht erst deuten wollte. »Also, Mutter, die sind doch nicht dumm.«
»Wieso?«
»Die wissen, dass Dad sein Geld nicht mir -«
»Darling, das spielt überhaupt keine Rolle. Wem dein Vater sein Geld vermachen wollte und wer es am Ende bekommt, das sind möglicherweise zwei Paar Stiefel. Der kluge Mann baut vor.«
»Die kluge Frau auch, Mutter?«
Sein Ton war gehässig. Margaret konnte nicht verstehen, womit sie das verdient hatte. Sie sagte: »Wenn wir hier vom letzten Verhältnis deines Vaters mit dieser Mrs. Abbott sprechen, so kann ich, glaube ich, ruhig sagen -« »Du weißt, verdammt noch mal, genau, dass wir das nicht tun.« »- dass in Anbetracht des Faibles deines Vaters für jüngere Frauen -«
»Ja, genau, Mutter. Herrgott noch mal, würdest du dir ausnahmsweise mal selbst zuhören?«
Margaret brach verwirrt ab. Sie dachte nach. »Was habe ich denn gesagt? Worüber?«
»Über Dad. Über seine Frauen. Über sein Faible für jüngere Frauen. Wie wär's, wenn du zur Abwechslung mal nachdenkst. Ich bin sicher, du wirst es schaffen, zwei und zwei zusammenzuzählen.« »Was meinst du denn nur, Darling? Ich weiß wirklich nicht -« »›Nimm sie mit zu deinem Vater, damit sie es mit eigenen Augen sieht, Darling‹«, zitierte ihr Sohn. »›Das schlägt keine Frau so ohne weiteres aus.‹ Du hattest gesehen, dass Carmel Zweifel bekommen hatte an der Beziehung zu mir, richtig? Wahrscheinlich hast du das sogar erwartet. Und du dachtest, wenn ihr klar würde, wie viel Geld sie zu erwarten hat, wenn sie es geschickt anstellt, dann würde sie bei mir bleiben. Als hätte ich sie dann noch gewollt! Als würde ich sie jetzt noch wollen!«
Ein kalter Hauch streifte Margarets Nacken. »Willst du sagen..?« Aber sie wusste es schon. Sie blickte sich um und empfand ihr lächelndes Gesicht wie eine Totenmaske. Sie zog ihren Sohn aus dem Saal, führte ihn durch den Flur, am Speisezimmer vorüber in den Anrichteraum und schloss die Tür. Sie mochte nicht daran denken, wohin dieses Gespräch führen würde. Sie wollte nicht daran denken. Noch weniger mochte oder wollte sie daran denken, was das Ergebnis dieses Gesprächs vielleicht über die jüngste Vergangenheit aussagen würde. Doch sie konnte nicht mehr aufhalten, was sie selbst ins Rollen gebracht hatte.
»Was willst du mir sagen, Adrian?« Sie lehnte sich mit dem Rücken gegen die Tür, damit er ihr nicht entkommen konnte. Es gab eine zweite Tür - zum Speisezimmer -, aber sie war sicher, dass er nicht dorthin fliehen würde. Zu viele Menschen, wie das Stimmengemurmel verriet. Und er fing an, seine Zuckungen zu bekommen - seine Augen wurden glasig -, Vorboten eines Zustands, in dem er sich vor Fremden gewiss nicht zeigen wollte.
Als er nicht gleich antwortete, wiederholte Margaret ihre Frage. Sie sprach jetzt trotz ihrer Ungeduld in milderem Ton, als sie sah, wie er litt. »Was ist passiert, Adrian?«
»Das weißt du doch«, antwortete er teilnahmslos. »Du weißt, wie er war, also weißt du auch den Rest.«
Margaret umschloss sein Gesicht mit ihren Händen. »Nein«, sagte sie. »Ich kann nicht glauben.« Sie drückte fester zu. »Du warst sein Sohn. Da hätte er die Grenze gezogen. Du warst sein Sohn.«
»Als hätte das irgendeine Bedeutung gehabt.« Adrian riss sich von ihr los. »Du warst seine Frau. Hatte das vielleicht eine Bedeutung?«
»Aber Guy und Carmel? Carmel Fitzgerald? Die nicht fähig war, auch nur einen amüsanten Satz hervorzubringen. An die jede witzige Bemerkung ver -« Margaret brach ab. Sie schaute weg.
»Genau. Und deshalb war sie für mich die perfekte Frau«, sagte Adrian. »Sie kannte keine witzigen Männer, darum war sie für mich leichte Beute.«
»So habe ich das nicht gemeint. So etwas habe ich nie gedacht. Sie ist ein reizendes Mädchen. Du und sie -«
»Ist doch völlig egal, was du gedacht hast. Es ist die Wahrheit. Er hat sofort gesehen, dass sie leicht zu haben war. Dad hat das gesehen, und da musste er natürlich zugreifen. Er hat doch nie eine Gelegenheit verstreichen lassen, schon gar nicht, wenn sie ihm praktisch in den Schoß fiel, Mutter -« Seine Stimme brach.
Das Klappern von Geschirr und Besteck aus dem anschließenden Speisezimmer verriet, dass die Angestellten des Partyservice begonnen hatten, das Büfett abzutragen. Der Empfang näherte sich seinem Ende. Margaret warf einen Blick zu der Tür hinter ihrem Sohn. Sie wusste, dass sie jederzeit gestört werden konnten. Der
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