120, rue de la Gare
und mit hierhin gekommen sind. Jetzt wartet ‘n Haufen Arbeit auf mich. Leider kann ich es Ihnen nicht gestatten, mich bei meinen Nachforschungen überallhin zu begleiten. Geben Sie mir Ihre Telefonnummer, damit ich Sie erreichen kann, falls ich Sie brauche.“
„Einverstanden“, sagte ich. „Aber lassen Sie mich bitte nicht einfach so hier stehen. Taxis sind selten. Nehmen Sie mich bis zur Place Bellecour mit? Das liegt doch auf Ihrem Weg.“
Zehn Minuten später betrat ich die Bar du Passage. Ehrlicherweise mußte man mir zugestehen, daß ich bemüht war, meine Jugendsünde — den Rausschmiß wegen Geldmangels — wiedergutzumachen. Das Bistro war fast leer. Ich setzte mich in eine Ecke und bestellte ein kleines Bier.
Die Stunde des Aperitifs lockte die Stammkundschaft an. Marc Covet kam auch hereingeschneit. Ich informierte ihn über die neuesten Ereignisse. Dann plauderten wir über dieses und jenes. Uber völlig belangloses Zeug. Zum Essen gingen wir woandershin, aber nach dem Dessert saßen wir wieder in der Bar du Passage. Um zehn Uhr wurde der Kellner vom Telefon geweckt. Weniger gleichgültig als gewöhnlich, kam er an unseren Tisch geschlurft. Mit offenem Mißtrauen sah er uns an.
„Wer von Ihnen ist äh... Monsieur Burma!“ fragte er beinahe flüsternd. „Sie werden am Telefon verlangt. Ein Po... ein Kom...“
Ich ließ ihn nicht ausreden und rannte zur Telefonkabine. So heftig riß ich den Hörer ans Ohr, daß ich es beinahe zerquetschte.
„Hallo?“ meldete ich mich.
„Hier Kommissar Bernier“, sagte eine fröhliche Stimme. „Ich weiß nicht, wie Sie die Zeit verbracht haben. Ich jedenfalls hab meine nicht vergeudet. Das Geheimnis hat sich aufgelöst, der Fall ist abgeschlossen... oder so gut wie. Kommen Sie zu mir? Ich bin in Redelaune. Der Ofen glüht, und ich hab Kaffeersatz, den ich für uns aufsetzen kann.“
„Ich komme sofort“, sagte ich und legte auf.
* * *
Kommissar Bernier erwartete mich in seinem düsteren Büro am Quai de Saône. Lag buchstäblich auf der Lauer hinter einer dichten, grauen Rauchwolke. Die rote Ofenplatte war der einzige Lichtblick in dieser eher drückenden Atmosphäre. Auf der Platte stand ein Topf mit einer seltsam duftenden Flüssigkeit. Kaffeersatz ist eben Kaffeersatz.
Ich schüttelte die feuchte Kälte ab. Draußen war es zwar nicht mehr neblig, aber dafür drang einem der Nieselregen in die Knochen. Also wirklich, diese Stadt wurde immer gemütlicher!
„Setzen Sie sich“, forderte der Kommissar mich gutgelaunt auf. „Der Fall ist so gut wie gelöst. Bald können wir uns ungestört der Pokerpartie widmen. Aber erst mal sehen wir uns ganz brav Fotos an. Ich versichere Ihnen, diese Erholungspause hab ich mir redlich verdient.“
Er goß uns den falschen Kaffee ein, süßte ihn mit echtem Zucker und zündete sich eine richtige Zigarette an. Nachdem er die Atmosphäre mit zwei Rauchwolken noch verdichtet hatte, öffnete er eine Schublade und legte eine Pistole mit einem Etikett auf den Tisch.
Die tolle Fundsache aus der Wohnung von Paul Carhaix! An einigen Stellen waren noch weiße Pulverspuren zu sehen, mit deren Hilfe man nach Fingerabdrücken gesucht hatte.
„Sie können das Ding ruhig anfassen“, ermunterte mich Bernier. „Es war so sauber wie ein neuer Sou. Nicht ein einziger Fingerabdruck. Nach Gebrauch sorgfältig abgewischt. Wirklich ein gewissenhafter Mensch! Allerdings haben wir schwache Spuren von Handschuhen entdeckt. Von seinen wahrscheinlich, aber völlig belanglos. Was halten Sie von der Waffe?“
„Und Sie?“ fragte ich zurück.
„Entschuldigen Sie, wenn ich mich wiederholen muß: Automatic, ausländisches Fabrikat, Kaliber 32“, wiederholte er sich. „Aus dem Ding kommen genau die gleichen Kugeln, die auch Colomer durchlöchert haben. Und hier sind ein paar interessante Fotos: die Kugeln, die wir aus Colomers Leiche geholt und auf Stanniolpapier gelegt haben, weil sich darauf jede einzelne Rille abdrückt. Daneben das Foto einer Kugel, ebenfalls auf Stanniolpapier, aus der Waffe, die wir in Carhaix’ Wohnung gefunden haben. Sie können sich davon überzeugen, daß sie dieselben Merkmale aufweist wie die tödlichen Kugeln. Identische Rillen, identische Merkmale.“
„Irrtum ausgeschlossen?“
„Machen Sie sich mit Ihren dummen Fragen nicht lustig über mich! Jawohl, Irrtum ausgeschlossen. Das Verfahren ist genauso präzise wie das für Fingerabdrücke. Unser technisches Labor arbeitet hervorragend.
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