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120, rue de la Gare

120, rue de la Gare

Titel: 120, rue de la Gare Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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machte. Mir war eingefallen, daß ich, wenn ich’s mir genau überlegte, so einiges in der besetzten Zone zu tun hatte. Also auf nach Paris!
    Ich ging zu Marc Covet, um ihm die Neuigkeit mitzuteilen. Haarklein mußte ich ihm von meiner Unterhaltung mit Bernier berichten. Es war gar nicht so einfach, den Journalist davon abzuhalten, einen Artikel zu schreiben. Ich versprach ihm noch weitere Informationen für diesen Abend.
    Fast den ganzen Tag verbrachte ich mit Kellnern, die einen schwunghaften Schwarzmarkthandel trieben. Ich wollte Maître Montbrison eine Schachtel Philip Morris schenken, weil er so nett zu mir gewesen war. Aber niemand konnte mir seine Lieblingsmarke besorgen. Also begnügte ich mich mit Zigarren. Auch wenn der Anwalt so was nicht rauchte, würde er sich über das Zeichen meiner Dankbarkeit freuen.
    Er freute sich tatsächlich. Natürlich war ich ihm ebenfalls einen ausführlichen Bericht schuldig. Montbrison sagte mir ungefähr zwanzigmal, daß das ja ganz wunderbar sei.
    „Dann hoffe ich Sie also in Paris wiederzusehen“, sagte ich, als wir uns verabschiedeten.
    „Ganz bestimmt. Aber wann? Ich habe meinen Passierschein immer noch nicht. Eine endlose Geschichte! Ich kenne zwar einige Flics, aber die gehören zum Fußvolk und haben keinerlei Einfluß. Es zieht sich hin..
    „Tja, allerdings. Dann hab ich mit meinem Sonderzug wohl Glück gehabt!“ antwortete ich.
    Mein letzter Besuch galt Gérard Lafalaise.
    „Sehen Sie mich nicht so verängstigt an“, sagte ich lachend zu Louise Brel. „Ich bin doch kein Menschenfresser!“
    Versöhnlich gaben wir uns die Hand. Dann ging ich zu ihrem Chef ins Büro. Hinter verschlossenen Türen verabschiedete es sich besser. Von seinem Apparat aus rief ich Kommissar Bernier an.
    „Mit unserer Pokerpartie wird es so bald nichts werden“, sagte ich. „Ich muß noch heute nach Paris zurück. Befehl von oben. Aber Sie brauchen mich ja nicht mehr, oder?“
    „Nein.“
    „Nichts Neues von dem Taschendieb?“
    „Wir mußten das Verhör unterbrechen.“
    „Im Ernst? Anordnung des Gerichtsmediziners? Verdammt, bringen Sie ihn nicht um!“
    „Solche Kerle haben ein zähes Leben... Gute Reise, Burma!“ Um halb zehn betrat ich zusammen mit Marc Covet den regennassen Bahnsteig, Gleis 12. Der Redakteur des Crépuscule war wortkarg. Ich hatte ihn mit Versprechungen auf einen mehr oder weniger fernen Tag vertröstet. Der eisige Wind, Vorbote des bald fallenden Schnees, machte das Warten auch nicht gerade lustiger. Weder Marc noch mich reizte jedoch der schlecht beleuchtete und schlecht beheizte Wartesaal. Schweigend, in unsere Mäntel gehüllt, gingen wir auf und ab.
    Endlich fuhr der Sonderzug ein. Aufenthalt zwei Minuten. Ohne viel Umstände fand ich einen Platz und verstaute mein Gepäck.
    „Auf Wiedersehen“, sagte Marc. „Und schließen Sie mich in Ihr Nachtgebet ein!“

Zweiter Teil
PARIS

Kontakt-Wiederaufnahme

    Zu meiner Wohnungstür zu gelangen und sie aufzuschließen, war gar nicht so einfach. Unten im Treppenhaus wartete meine Concierge auf mich. Ihr sechster Sinn hatte sie wohl von meiner Ankunftszeit unterrichtet. Sie händigte mir einen Stapel Briefe aus, die seit dem Ende des „komischen Krieges“ in ihrer Loge vor sich hingeschimmelt hatten. Als nächstes berichtete sie, sie habe das Nötige veranlaßt, damit ich Strom und Telefon wieder benutzen könne. Dann mußte ich mit ihr die üblichen Allgemeinplätze über die Kriegsgefangenschaft austauschen. Als das geschafft war, konnte ich endlich in die dritte Etage hochspringen.
    Ich gewöhnte mich schneller an meine Wohnung, als ich gedacht hatte. Nachdem ich mir etwas Wasser ins Gesicht geschüttet und mich rasiert hatte, köpfte ich eine Flasche. Die alte, treue Freundin hatte seit September 39 unter dem Bett auf mich gewartet.
    Jetzt kam das Telefon an die Reihe. Beim Drehen der Wählscheibe dachte ich, wie angenehm es war, das Telefon zu benutzen, ohne seine Ausweispapiere vorlegen zu müssen. Eine unpersönliche Stimme unterbrach meine Gedanken:
    „Hallo?“
    Ich verlangte Inspektor Faroux. Die Stimme antwortete, er sei nicht im Hause, ich könne ihm aber eine Nachricht hinterlassen. Ich bat die Telefonistin, dem Inspektor auszurichten, daß Nestor Burma wieder in Paris sei. Ich garnierte die Frohe Botschaft mit meiner Telefonnummer.
    Ich hatte während der Zugfahrt nicht geschlafen. Also legte ich mich erst mal ins Bett.

    * * *

    Am nächsten Morgen kaufte ich einen Armvoll Zeitungen

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